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Musik

Kirche sein in symphonischer Gemeinschaft

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Kirche sein in symphonischer Gemeinschaft

Jesus mit Dornenkrone thumbLiedimpuls 5 – Wie hältst du’s mit Christus?

"O Haupt voll Blut und Wunden,
voll Schmerz und voller Hohn,
o Haupt, zum Spott gebunden
mit einer Dornenkron,
o Haupt, sonst schön gekrönet
mit höchster Ehr und Zier,
jetzt aber frech verhöhnet:
Gegrüsset seist du mir."

Paul Gerhardt (1607–1676) und Johann Crüger (1598–1662)

Katholisches Gesangbuch 389

So wie "Stille Nacht" die Hauptmelodie des Heilig-Abend-Gottesdienstes ist, so durchzieht das Passionslied "O Haupt voll Blut und Wunden" die musikalische Gestaltung der Karfreitagsfeiern. Beide Lieder haben ihren Einsatz meist nur in einem einzigen Gottesdienst. Dieser exklusive Einsatz unterstreicht ihre Bedeutung und Wertschätzung.

Was berührt uns bei diesem rund 400-jährigen Lied? Ist es die seufzend-klagende Melodie? Ist es der Text? Wie stehen wir zu diesem gar verdoppelten "ich"? "Ich, ich hab es verschuldet, was du getragen hast". Oder später: "Schau her, hier steh ich Armer, der Zorn verdienet hat." Halten wir dies aus? Ist dies unsere Überzeugung, unser Glaube? Präzis an diesem Punkt stehen wir im Zentrum des christlichen Glaubens, an jenem Ort, wo die Theologie Bände spricht und Bibliotheken füllt.

Ich bin überzeugt, dass es gerade dieses "ich" und auch das stets wiederkehrende "du" ist, das uns nicht los lässt. Denn dieses, ich meine gar penetrante, "ich" und "du" bedeutet und will Beziehung und fordert uns mit energischem Fingerzeig zur eigenen Stellungnahme auf: "Nun, wie hältst du's mit Jesus Christus, mit dem Kreuz, mit der Religion?" Unser Nachdenken und unsere Antwort geschieht meist still und kann allenfalls auch mit jener Intensität verglichen werden, wie wir diese im ebenso persönlich erlebten Moment des Kommunionempfangs erhoffen.

Im Gegensatz zu "Stille Nacht" ist hier Melodie und Text nicht gleichzeitig entstanden. Die Melodie komponierte der findige Hans Leo Hassler (er befasste sich auch mit Orgelautomaten!) für den "Lustgarten Neuer Teutscher Gesäng" (Nürnberg, 1601), wo sie zum Text "Mein Gmüth ist mir verwirret, das macht ein Jungfrau zart" gesungen wird. Eine überaus schmachtende Liebessehnsucht! Der Ausdruck dieser seufzend-klagenden Melodie, passte später bestens zur ebenso intensiven Gefühlslage des von Paul Gerhardt aus einem Werk des 13. Jh. heraus entwickelten "O Haupt voll Blut und Wunden". In der Hymnologie sprechen wir von sogenannten "Kontrafakturen". Im KG finden wir noch weitere, so beispielsweise "O wunderbare Speise" (KG 134) oder "In dir ist Freude" (KG 200), dessen abschliessendes "Halleluja" schon auf den Ostertag voraus weist.

Das Lied zum Hören auf Youtube (Aus der Matthäuspassion von Johann Sebastian Bach)

Martin Hobi