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Kompetenzzentrum für Fragen des Gottesdienstes

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TaufschaleEine neue Apostelgeschichte schreiben? Liturgie und Kirchenentwicklung
Studienreise nach Wien 18.-21. September 2022

Wenn Kirchenerneuerung ein geistliches Fundament hat, dann ist es die allen Christinnen und Christen gemeinsame Taufe. Das Taufbecken aus farbigem Glas, das bei den Diözesanversammlungen des Prozesses Apg 2.1 und bei der Studienreise zum Einsatz kam, sammelt im Symbol Reiseerlebnisse: vielfältige liturgische Erfahrungen, Kunst und Kirche, Einblicke in Prozesse von Erneuerung.

Unsagbar viel erlebt

Wer einen Bericht schreibt, muss aussortieren. Dieser Bericht orientiert sich an einigen Stichworte (im Bericht in GROSSBUCHSTABEN) aus der Schlussrunde zum Transfer in die Schweiz und verbindet sie mit Erlebtem und Erfahrenen. Damit nimmt er das Ziel der Reise auf: in einem anderen pastoralen Kontext hören, sehen, erleben, wie Kirchenentwicklung dort verstanden wird, welche Schritte erfolgten, welche Innovationen oder Kontinuitäten es im liturgischen Bereich gab und daraus Erkenntnisse, Impulse, Bestätigung und natürlich Fragen mit nach Hause zu nehmen. KIRCHE UND LITURGIE GEHEN ZUSAMMEN.
An der Studienreise unter der Leitung von Gunda Brüske (Liturgisches Institut) und Siegfried Ostermann (asipa) nahmen insgesamt 24 Personen teil. Die Gruppe bestand aus Hauptamtlichen aus Pfarreien, Pastoralräumen und kirchlichen Institutionen.

BIBLISCHE VERANKERUNG

«Die Apostelgeschichte weiterschreiben» - diese Wendung führte in der Erzdiözese Wien seit 2008 zum diözesanen Entwicklungsprozess Apostelgeschichte 2010 (Apg 2.1). Kirchenerneuerung steht in Wien also nicht am Anfang. In einem eintägigen Workshop liessen uns vier Mitarbeitende aus dem Pastoralamt der Erzdiözese Wien - die Leiterin der Stabstelle Apg 2.1 Andrea Geiger und der Koordinator Otmar Spanner, sowie Stefan Lobnig, Leiter des Bereichs Pfarrgemeinderäte und Pastorale Strukturentwicklung, und Martin Sindelar, Leiter des Bereichs Bibel-Liturgie-Kirchenraum - etwas davon erleben, indem sie methodisch so mit unserer Gruppe arbeiteten, wie sie es im Prozess Apg 2.1 z. B. mit Dekanen taten.

Schiffbruch vor Malta

Im blau beleuchteten Kursraum wurde eine Kerze entzündet und eine Bibel aufgeschlagen. Ein Mann mit oranger Schwimmweste nahm uns mit auf die Reise von Paulus nach Rom (Apg 27,1-28,15). Ein schwarz-weiss Video mit Fotos, Grafik, einzelnen Worten – alles in kurzen Schnitten – über Musik und nochmaligem Hören des Berichts aus der Apostelgeschichte liess uns Teil des Ereignisses werden. Wir sassen mit ihm im Schiff, erlitten Schiffbruch und kamen in Malta an, wir spürten die tiefe Christusbeziehung des Paulus, hörten «fürchtet euch nicht» und vertrauten seiner Leitung. Das Erlebte ging ein in ein Lied, das zwischen Austauscheinheiten wiederholt wurde. LICHT UND MUSIK. Wir erlebten eine biblisch-liturgische Inszenierung inklusive Vertiefungselementen. Actuosa participatio dichtester Art.

Zum Erzählen vom Prozess Apg 2.1 wechselte das Licht. Wir hörten von Lernschritten, Entscheidungen, Beteiligung, Reflexionen, Widerständen. Hier und da klang an, wie «der Kardinal» mit dem einbezogen wird, was er gut kann, aber auch was er gelernt hat. Kein Gegeneinander. Miteinander. GESPRÄCHSKULTUR, BRÜCKEN BAUEN, TEILHABE ERMÖGLICHEN.

Agape und Taufgedächtnis

Vor dem Mittagessen wurden Tische in den Kursraum getragen, gedeckt mit weissen Tischtüchern, Weingläsern, Broten, sechs Körben mit Lebensmitteln, dazu kamen natürlich die Kerze vom Morgen und die Bibel. Wir feiern Agape, wir sind verbunden mit der Brotbrechung von Paulus auf dem Schiff vor Malta. Der Tag schloss mit einer weiteren Feier, einem Taufgedächtnis, ist doch die Taufberufung und die Sendung Fundament des ganzen Weges. In der Mitte des Raumes stand die grosse Taufschale aus farbigem Glasfluss in den Farben des Prozesses Apg 2.1 (CORPORATE IDENTITY), die auch beim Taufgedächtnis der Diözesansynoden verwendet wurde. Ein Lichtritus, Lieder, Lesungen, die Anrufung Gottes über dem Wasser, das grosszügig-lustvolle Übergiessen beider Hände, eine gegenseitige Segnung zum Abschluss. SINNLICHE ERFAHRUNG. Intensität und Vertrautheit, die so am Morgen noch nicht möglich gewesen wäre. Es ist viel passiert an diesem Tag. Wohl auch ein Stück Wandlung.

WILLKOMMENSKULTUR

Wir haben viel Gastfreundschaft erlebt! Das Freiwilligenteam von «die messe» hat uns nicht nur begrüsst, sie haben auch einen Imbiss mit selbstgemachten Salaten und anderem für uns vorbereitet und – das war überraschend – aus der eigenen Tasche gezahlt. Bis auf den Raum, der für die Messe und das Beisammensein vorher und nachher - genannt "das wohnzimmer" - von der Pfarrei zur Verfügung gestellt wird, finanzieren die 10-15 Freiwilligen alles selbst.

Gastfreundschaft ist grosszügig

Grosszügig schenkten uns vier Personen mit dem Workshop zu Apg 2.1 einen ganzen Tag ihre Zeit. Ein Detail spiegelt die Kultur des Willkommens: «Wir haben gehört, dass es bei Euch Gipfeli gibt, wenn ihr zusammenkommt. Wir haben welche für euch besorgt». Was wissen wir von denen, die wir willkommen heissen möchten, und wie nehmen wir etwas davon bei ihrem Eintreffen auf?

Dass es beim Willkommen nicht (nur) um Worte geht, sondern darum, den Schritt über die Schwelle zu begleiten, zeigten zwei weitere Erlebnisse: Otto Neubauer, Leiter der Akademie für Dialog und Evangelisation und Autor des Buches «Mission possible», war vor das Haus gekommen und holte die Gruppe dort ab. Er wartete nicht in den Räumen der Akademie, er war den Gästen vielmehr entgegengekommen.

"das wohnzimmer"

Für (potentiell) Kirchenferne und alle, die am Sonntagabend gegen 19 Uhr einfach nur an der Kirche vorbeigehen, wählt das Team von «die messe» einen besonderen Zugang: Sie betreten den Kirchenraum durch «das wohnzimmer», einen Raum mit Sofas und warmem Licht, wo Gäste begrüsst werden, kurz und Abstand lassend oder länger und an frühere Begegnungen anknüpfend. Der Kirchenraum selbst ist dunkel, aber einzelne Orte sind in Pink und Violett beleuchtet. Auch die Dunkelheit erlaubt einen gestuften Zugang. Hinzu kommt der liturgisch Ungeübten Sicherheit vermittelnde Hinweis zu Beginn der Messe, dass man auch sitzen darf, während andere stehen.

An jedem dieser Orte wurde ausserdem deutlich, dass es nicht einzelne Professionelle waren, die das Willkommen der Gäste übernahmen, dass es vielmehr eine Haltung war, die von einem Team und weiteren Personen getragen war. Und was verstehen wir unter Gastfreundschaft? Wie wird das Willkommen der Gäste zu einer Kultur, die nicht von einzelnen Haupt- oder Ehrenamtlichen abhängt?

PASTORALE GELASSENHEIT

Das ist ein weiteres Stichwort aus der Schussrunde, wieder geht es um eine Haltung. Wenn ich recht sehe, synthetisiert es unterschiedliche Aspekte dessen, was wir von den Gesprächspartnerinnen und -partnern hörten oder an ihrem Miteinander spürten: Alle arbeiten als TEAM und sind keine Einzelkämpfer. Alle haben einen langen Atem – im Fall von Otto Friedrich, einem der Mitgründer der Personalgemeinde St. Ruprecht und  Mitglied seit über 30 Jahren –, und leben mit der Spannung, dass das, was neu entsteht, ZEIT braucht. EINEN WEG GEHEN. Wenn es nicht um schnelle Veränderungen gehen muss, kann Gelassenheit gedeihen. Allen ging es bei Unterschieden im liturgischen Stil um QUALITÄT und Professionalität. Alle BRINGEN SICH PERSÖNLICH INS SPIEL mit ihrem Glauben und Leben ein. Alle haben Stürme hinter sich und doch wieder Land gesehen. MUT dürfte eines der wichtigsten Stichworte der Transferrunde sein. Und: NICHT AUFGEBEN.

Ziele? Erfolg?

Natürlich verfolgen unsere Gesprächspartner Ziele und arbeiten daran weiter. Dennoch scheint Erfolg nicht die Kategorie zu sein, mit der das Ergebnis gemessen wird. Gefragt nach dem Ziel des Projekts «die messe» antwortete die Sozialarbeiterin und Mitbegründerin Barbara Trobej, die selber aus einem kirchenfernen Kontext stammt: Wir kommen zusammen, um Messe zu feiern und wer mag, kommt dazu. Das Ziel ist erreicht, denn seit 2016 feiern sie zusammen, die Anzahl der Menschen, die durch dieses Format einen Zugang zum Glauben oder zur Kirche finden, ist sekundär. Nebenbei: Gefeiert wird mit dem Messbuch, damit Menschen, die schon oder in Zukunft in anderen Pfarreien Messe feiern, auch dort beheimatet sein können. Das Licht ist anders, die Musik (Worship in deutscher oder englischer Sprache), freie Fürbitten aus der Gemeinde. Die Priester werden vom Team ausgewählt, sie müssen z.B. lebensnah predigen können. Der Pfarrer zählt dazu. Ansonsten gibt es wenig Berührungspunkte mit der Pfarrei. Doch das recht einfache Modell von «die messe» wird bereits an anderen Orten in Wien übernommen.

Absichtsloses Zeugnis

Eine ähnliche gelassene Haltung zeigte sich auch im Gespräch mit Otto Neubauer, obwohl die Durchführung einer Stadtmission ein durchaus ambitioniertes Projekt ist. Man sucht u.a. Orte in einer Stadt auf, an die Jesus heute vermutlich gegangen wäre. Was dort passiert, ist offen. Es geschieht in einer Haltung des Gottvertrauens und der ABSICHTSLOSIGKEIT. Zahlen zählen nicht. Kircheneintritte werden nicht erwartet. Dasselbe gilt für Einladungen zum Essen, die Otto Neubauer und seine Familie aussprechen. Dieses Verständnis von Mission, so staunten einige, respektiert die Freiheit des oder der anderen nicht nur, es fordert sie. Mission und Absichtslosigkeit sind kein Widerspruch, im Gegenteil: Sie gehören unbedingt zusammen. Wie BEZEUGEN wir, was wir glauben?

Kritische Fragen

Selbstverständlich fielen bei der Schlussrunde auch Stichworte zu Fragen, die bleiben und weit über die pastorale Situation in der Erzdiözese Wien hinausgehen: das Verhältnis von «Amt und Charisma», von «Tradition und Erneuerung», von «Teilkirche und Weltkirche». Aus Fragen der Teilnehmenden an die Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner sei ergänzt: die Rolle der Frau in der Liturgie/in der Kirche, die Missbrauchskrise, die Genderthematik. Die Antworten waren weniger kämpferisch als von den Fragenden erwartet und je nach Kontext unterschiedlich, z.B. «wir haben in unserer Gemeinde noch keinen Konsens erzielt, sind noch auf dem Weg» (St. Ruprecht); «wir nahmen Themen, die gerade aktuell waren (Missbrauchskrise) in der Diözesansynode auf, indem wir einen rituellen Ort für die aufbrechenden Emotionen schufen» . Sicher hilft auch die mehrfach kommunizierte und an Beispielen gezeigte Haltung «'OBEN’ UND ‘UNTEN’ SPIELEN ZUSAMMEN». Zur pastoralen Gelassenheit dürfte auch beitragen, wenn es Mitarbeitenden und Teams gelingt, «unter der kirchlichen Frustgrenze zu arbeiten» (Martin Sindelar).

Gunda Brüske (31.10.2022)

Fotogalerie

© Liturgisches Institut
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Projektleitung und Durchführung

Gunda Brüske (Liturgisches Institut), Siegfried Ostermann (Missio, asipa)
Die urspr. für 2020 ausgeschriebene Reise musste coronabedingt zweimal verschoben werden.

Diese Studienreise wurde unterstützt von:

ASIPA - RKZ - Freundeskreis Liturgisches Institut


 Aus dem Projektbeschrieb (2019)

Die enormen gesellschaftlichen Veränderungen und die Verknappung der Ressourcen in der Kirche fordern einen Wandel. Die Erzdiözese Wien reagiert darauf mit einem diözesanen Entwicklungsprozess, der strukturelle Veränderungen als geistlichen Anstoss produktiv aufnimmt. Im Zentrum der Studienreise steht ein Workshop zur Erkundung dieses Prozesses, sowie weitere Begegnungen. Die Erfahrungen und Erkenntnisse werden im Hinblick auf die Pastoral der Deutschschweiz befragt. 

Programm

Sonntag 18.9.2022

17:30 Uhr Begrüssung, Kennenlernen, Informationen,
18:00 Uhr Gespräch mit Barbara Trobej vom Team von „die messe“
19:00 Uhr „die messe“ – eine Jugendmesse mit Begegnung bei Bier und Wein

Montag 19.9.2022

9:00 – 16:30 Uhr Workshop "Liturgie und Bibel in Veränderungsprozessen am Beispiel APG2.1 in Wien". Mit Andrea Geiger, Leiterin der Stabstelle APG2.1, Otmar Spanner, Koordinator APG2.1, Stefan Lobnig, Referent für Strukturentwicklung in der Erzdiözese, und Martin Sindelar, Leiter des Referats Bibel-Liturgie-Kirchenraum.

Dienstag 20.9.2022

9:00 - 11:00 Uhr zwei Angebote zur Wahl:
1. Gespräch im Liturgiereferat über laufende Projekte wie die neuen mobilen liturgischen Funktionsorte, den Verleih von zeitgenössischen liturgischen Gewändern, eine empirische Untersuchung zur Liturgie in der Erzdiözese u.a.
2. Gespräch mit Otto Neubauer, dem Leiter der Akademie für Dialog und Evangelisation und Autor von "Mission Possible"

ab 14:30 Uhr
Besichtigung der preisgekrönten Donaucity-Kirche
Besichtigung der ältesten Wiener Kirche St. Ruprecht und Gespräch über die Entwicklung der zeitgenössischen Feierkultur in St. Ruprecht
am Abend ein typisch wienerisches Essen 
Gespräch mit Anton Faber, Dompfarrer von St. Stephan

Mittwoch 21.9.2022

9:00 Uhr Reflexion der Erfahrungen und Transfer für die Pastoral der Deutschschweiz
Mittagsimbiss und Abreise