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Praxis

Kirche sein mit aktiver Beteiligung

Praxis

Kirche sein mit aktiver Beteiligung

betende haende pleskerWeshalb beten wir für unsere Verstorbenen?

"Gedenke unserer Brüder und Schwestern, die entschlafen sind in der Hoffnung, dass sie auferstehen. Nimm sie und alle, die in deiner Gnade aus dieser Welt geschieden sind, in dein Reich auf, wo sie dich schauen von Angesicht zu Angesicht." (Einschub für die Verstorbenen im 2. Hochgebet.) - Mit Fürbitten für alle Menschen bei Gott einzutreten fordert bereits der erste Timotheusbrief (2,1-4).

Alle Menschen, das sind nach dem Verständnis der Alten Kirche nicht nur die jetzt Lebenden, sondern auch die in Christus Gestorbenen. Denn auch der Tod kann die Solidargemeinschaft der Glaubenden in der Einheit des Leibes Christi nicht zerstören: „Wenn darum ein Glied leidet, leiden alle mit." (1 Kor 12,26) So beten Christen seit den ersten Jahrhunderten für ihre Verstorbenen. Wie Paulus sind wir also sicher, dass uns nichts von Christus trennen kann – auch der Tod nicht (vgl. Röm 8,38ff). Die Verstorbenen leben in Christus, aber auf eine Weise, die wir noch nicht kennen.
Gleichzeitig wissen wir, dass heute und wohl auch in der Stunde unseres Todes in uns noch viel steckt, dass uns von Christus trennt. Wenn ein Mensch stirbt, ist das, was durch die Taufe in ihm grundgelegt ist und nun sein Leben ganz durchdringen will, kaum je an ein Ende gekommen. Sünde ist das, was noch immer von Christus trennt, das was noch der positiven, guten Grundentscheidung unseres Glaubens widerstrebt. Es gehört zum Ernst christlicher Existenz, dass die Sünde und ihre Folgen nicht einfach „weggezaubert" werden. Vielmehr traut Christus uns zu, sie in ihm zu überwinden und so ein ganzer Mensch zu werden, dessen Grundentscheidung für Gott alle Fasern seiner Existenz durchdringt: ein Mensch, der vollkommen transparent geworden ist für das Licht der Gnade. Dieser Prozess ist mit dem Tod nicht beendet, ja wahrscheinlich erkennen wir erst dann, wenn wir mit seinen Augen auf das abgeschlossene Leben blicken, wie weit wir noch vom dem entfernt sind, was Gott mit uns vor hatte. Das wird vielfach eine bittere, letztlich aber eine heilsame Erkenntnis sein. In diese Situation hinein sprechen wir unser Gebet für die Verstorbenen. Es ist eine Fortsetzung unserer Liebe und unserer Solidarität für jene, die den schmerzhaften Prozess heilender Selbsterkenntnis nun zu Ende leben, um aber bald, so beten und wünschen wir, sein ewiges Licht als Quelle der Freude endgültig erfahren zu dürfen.

Gunda Brüske (2005)