Geburt Jesu bearb thumbHochfest der Gottesmutter Maria 1.1.

Der Anfang des Jahres und der Anfang des Heils

Die Kirche feiert am 1. Januar Maria. Ist das nicht befremdlich, wenn alle Welt Neujahr feiert? Nein, weil Weihnachten ein Neubeginn ist, der tiefer reicht als jedes neue Jahr.

Wohl kein Fest in der katholischen Kirche hat mehr und unterschiedlichere Namen als dieses:
    • Hochfest der Gottesmutter Maria
    • Oktavtag von Weihnachten
    • Namensgebung des Herrn
    • Neujahr
    • Weltfriedenstag

Die Namen geben Hinweise auf die Inhalte des Festes. Offensichtlich liegen sie nicht alle auf derselben Ebene. Der Weltfriedenstag zum Beispiel wird gar nicht in der Liturgie gefeiert, sondern z. B. durch ein Wort des Papstes zum Weltfriedenstag begangen (s. unter Links). Was sollen wir angesichts der breiten Auswahl an Festinhalten nun aber im Gottesdienst feiern?

Den Beginn des bürgerlichen Jahres feiern?

Als das Fest in der Spätantike entstand, lag der Jahresbeginn in Rom schon seit mehreren Jahrhunderten auf dem 1. Januar. Die römischen Christen jener Zeit konnten sich offenbar nicht entschliessen, sich diesem Treiben anzuschliessen. Für sie war der 8. Tag, nämlich der 8. Tag nach Weihnachten weit wichtiger als der 1. Tag des neuen Jahres. Schliesslich hatten sie Weihnachten eine neue Geburt (nova nativitas) gefeiert und damit einen Neubeginn, der tiefer gründet als bloss ein weiteres neues Jahr.

Was ganz besonders wichtig ist, feiert niemand nur einen Tag: Es braucht vorher Zeit zur Einstimmung und nachher Zeit zum Weiterfeiern. Wenn sich im Märchen Prinzessin und Prinz gefunden haben und Hoch-Zeit halten, heisst es zuweilen: Sie feierten sieben Tage und sieben Nächte. Die Hoch-Zeiten der Kirche, ihre Hochfeste Ostern und Weihnachten funktionieren ganz genauso: Sieben Tage feiert die Kirche, den 1. Tag und den 8. Tag aber ganz besonders.

Der 8. Tag nach dem Weihnachtstag (25.12.) ist der (1.1.). Weil acht Tage lang (eine sogenannte Oktav=Achttagezeit) Weihnachten gefeiert wird, ist der Inhalt des 8. Tages zunächst einfach die Geburt Jesu. Das Tagesgebet fängt auch ganz in diesem weihnachtlichen Sinne an: „Barmherziger Gott, durch die Geburt deines Sohnes aus der Jungfrau Maria hast du der Menschheit das ewige Heil geschenkt."

Den Anfangs des Heils an den Beginn des neuen Jahres stellen

Aber schon im nächsten Satz des Tagesgebets wird der Bezug zum neuen Jahr hergestellt: „Laß uns (auch im neuen Jahr) immer und überall die Fürbitte der gnadenvollen Mutter erfahren ...". Auch das Gabengebet der Messe hat diesen doppelten Bezug auf Weihnachten und Jahresbeginn:

"Barmherziger Gott, von dir kommt alles Gute, und du führst es zum Ziel. [Anfang und Ende liegen in Gottes Hand – auch im neuen Jahr.] Wir danken dir für den Anfang des Heiles, das du uns in der Geburt deines Sohnes aus der Jungfrau Maria eröffnet hast. [Weihnachten als Anfang des Heiles – das ist mehr als nur ein neues Jahr.] Höre auf ihre Fürsprache und führe uns (in diesem Jahr) näher zu dir. [Das neue bürgerliche Jahr als geschenkte Zeit auf dem Weg zu Gott.]"

Der deutlichste Hinweis auf den Beginn des neuen Jahres ist aber die erste Lesung, der sogenannte Aaronitische Segen. Warum? Der Segen ist in vielen Situationen ein Gebet und Zuspruch auf der Schwelle: etwas Neues beginnt oder hat gerade begonnen – wie es ausgehen wird, ist noch ungewiß. Gottes Segen ist Lebensfülle und schützende Nähe – genau das ist in einer solcher Schwellensituation besonders gefragt. Der Jahreswechsel ist eine solche Zeitschwelle. Nicht alles, was passieren wird, liegt in unserer Hand. Dahinein fällt der alte Segenszuspruch der Aaroniten über Israel: „Der Herr segne dich und behüte dich. Der Herr lasse sein Angesicht über dich leuchten und sei dir gnädig. Der Herr wende sein Angesicht dir zu und schenke dir Heil." (Numeri 6,24-26: 1. Lesung)

Den Anfang des Heils einer Frau verdanken

Was in der Welt neu wurde an Weihnachten, das ist einer Frau zu verdanken, Maria. Die Gebete dieses Tages sprechen das aus. Ebenso die zweite Lesung: „Als die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau ..." (Gal 4,4).

Im Evangelium am 8. Tag nach Weihnachten hören wir die Fortsetzung des Evangeliums aus der Weihnachtsnacht: Die Hirten eilen zur Krippe und finden Maria und Josef mit dem Kind – sie preisen Gott und kehren zurück – Maria und Josef tun, was Eltern nach der Geburt zu tun pflegen: sie geben dem Kind einen Namen, den Namen Jesus (Lukas 2,16-21). Am 8. Tag kehrt die Liturgie mit diesem Evangelium also noch einmal an die Krippe zurück und sie geht einen Schritt weiter mit der Namensgebung des Herrn.

Wenn acht Tage lang Weihnachten gefeiert wird (auch an den Festtagen in der Oktav von Weihnachten), dann muß früher oder später neben dem Kind jene in den Blick fallen, die ihn zur Welt brachte. Der achte Tag von Weihnachten war das erste Marienfest der Kirche. Die anderen Marienfeste kommen erst später hinzu. Dieses Marienfest ist ein Weihnachtsfest. Eigentlich ist das ganz natürlich: Wenn man das Kind bestaunt hat, wendet man sich der Mutter zu. Irgendetwas von dieser unmittelbaren Logik muß wohl am Anfang gestanden haben.

Noch lange über diese Geburt staunen

Ich glaube, unter Menschen werden vor allem die neugeborenen Kinder angestaunt, aber nicht so sehr die Mütter. Denen gratuliert man. Aber die Kirche gratuliert Maria nicht an Weihnachten und am Oktavtag, sie staunt über Maria und über die wunderbare Geburt. Sie spricht deshalb in Bildern:

O Dornbusch, den Mose schaute! Brennend verbranntest du nicht. In dir erkennen wir ein Gleichnis der seligen Gottesmutter, die unversehrt gebar. (aus der Tagzeitenliturgie) Maria ist wie der Dornbuch: brennt und verbrennt nicht – sie gebiert, ohne in ihrer leiblichen Integrität verletzt zu werden. Die Kirche behauptet in ihrer liturgischen Feier nicht, zu durchschauen, wie das gehen mag. Sie versteht das als ein Geheimnis, also nicht als ein Rätsel, das man auflösen kann, sondern als etwas von unauslotbarer Tiefe:

O unsagbar tiefes Geheimnis! In der Geburt aus der Jungfrau erfüllte sich die Schrift: Wie der Tau auf Gideons Vlies kamst du herab und hast die Menschen gerettet. (aus der Tagzeitenliturgie) Die jungfräuliche Geburt ist ein Fingerzeig, dass das Leben, das hier zur Welt kommt - buchstäblich zur Welt kommt – anders ist als alles, was Menschen bis dahin kannten:

Ein wunderbares Geheimnis tritt heute ans Licht: Gott wurde Mensch, er blieb, was er war, und nahm an, was er nicht war, ohne Vermischung und ohne Trennung. (aus der Tagzeitenliturgie) Gott wurde ganz und wirklich Mensch und blieb doch wahrhaftig Gott. Nur so kann Gott den Menschen begegnen: als einer von uns, eins mit Gott. Weil er wirklich ganz Gott ist, kann er als Mensch für uns der Weg zu Gott sein. Er stellt die gemeinsame Basis zwischen Gott und den Menschen wieder her, indem er unser Menschsein durch die Geburt aus Maria annimmt:

O wunderbarer Tausch! Der den Menschen schuf, nimmt menschliches Leben an und wird aus der Jungfrau geboren. Von keinem Mann gezeugt, kommt er in die Welt und schenkt uns sein göttliches Leben. (aus der Tagzeitenliturgie) Der wunderbare Tausch, der sich in der jungfräulichen Geburt ereignet, verändert den Menschen ganz grundlegend: Jesus wird arm, um uns reich zu machen (2 Korintherbrief 8,9), er wird Mensch, um uns göttliches Leben zu schenken. Deshalb ist diese Geburt so anders als jede andere Geburt. Deshalb feiert die Kirche Maria am 8. Tag nach Weihnachten. Mit dem weihnachtlichen Lebensaustausch ist alles von Gott her neu geworden. Damit ist mitten in der Zeit bereits eine Schwelle überschritten in die Zukunft hinein, die von Gott kommt. Als Menschen dieser Zeit dürfen wir jedes neue Jahr von da her begreifen:

„Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist bei uns am Abend und am Morgen und ganz gewiß an jedem neuen Tag." (Dietrich Bonhoeffer, 1944)

Gunda Brüske

 

Stichwort

  • Namen für den 1. Januar: Hochfest der Gottesmutter Maria, Oktavtag von Weihnachten, Namensgebung des Herrn, Weltfriedenstag, Neujahr
  • in der 2. Hälfte des 6. Jahrhunderts eingeführt als erstes Marienfest der römischen Kirche
  • 11./12. Jahrhundert: Beschränkung des Festinhalts auf die Beschneidung des Herrn
  • heute wieder Marienfest als 8. Tag (Oktav) nach Weihnachten
  • in der Tagzeitenliturgie Antiphonen mit ostkirchlichem Einfluss

Wider-Worte

„Die Feier eines künstlich rekonstruierten, seit über tausend Jahren abgestorbenen Festes dürfte weit an der Erlebnissituation heutiger Gemeinden vorbeigehen."

Hansjörg Auf der Maur (1933-1999)

Geistlicher Impuls

"Der du die Zeit in Händen hast,
Herr, nimm auch dieses Jahr Last
und wandle sie in Segen. ...

Nur Gottes Jahr währt für und für,
drum kehre jeden Tag zu dir,
weil wir im Winde treibe. ...

Der du allein der Ewige heißt
und Anfang, Ziel und Mitte weißt
im Fluge unserer Zeiten:
bleib du uns gnädig zugewandt
und führe uns an deiner Hand,
damit wir sicher schreiten!"

Jochen Klepper (1903-1942), Neujahrslied

Links

Liturgische Texte