Wer festet, soll auch fasten, soll auch feiernDer Aschermittwoch wird von vielen Fasnächtlern als Spielverderber erfahren - oder ganz übersehen. Die Fasnacht hat sich verselbständigt – und verliert dabei wohl ihren genuinen Reiz: den spannendem Kontrast zu etwas anderem. Spielverderber?Der Aschermittwoch als Beginn der Österlichen Busszeit wird von vielen Fasnächtlern als Spielverderber erfahren oder gar als Kerker wahrgenommen, der vom leichten lichten Leben trennt. Von den meisten Fasnächtlern aber wird er, seien wir ehrlich, gar nicht mehr erfahren. Die Fasnacht hat sich weitgehend verselbständigt – und verliert dabei vermutlich ihren genuinen Reiz: in spannendem Kontrast zu stehen zu etwas anderem. Dabei wären Kontrasterfahrungen eigentlich wieder hip. Scharfe Übergänge werden uns allenthalben zugemutet: der rasante Cut in der zeitgenössischen Kino- und Fernsehregie, die kalte Dusche auf die heisse Sauna oder der Weihnachtstrip auf die tropischen Ferieninsel. Sicher ist: der Mensch braucht Abwechslung und vor allem Zeiten und Orte, die dem Alltäglichen enthoben sind. Er braucht die Spannung zwischen Hochzeiten des Lebens und dem Gewöhnlichen. Er braucht aber auch die Zeit und den Ort des Rückzugs vor der ständigen Aktivität, Zeit und Ort der Vorbereitung auf besonders herausragende Ereignisse. Nichts hat somit verstanden, wer am Aschermittwoch predigt oder in sich hineinschmollt: „Irgendwann ist Schluss mit lustig." Darum geht es nicht. Ein differenzierteres Verständnis kommt uns im berühmten Ausspruch der grossen Theresia von Avila entgegen, die sicher Kohelet im Kopf hat, wenn sie sagt: "Wenn Rebhuhn, dann Rebhuhn, wenn Fasten, dann Fasten." Denn sie verstand das Gepräge der Zeiten von ihrem Zielpunkt her richtig. Der Aschermittwoch macht durch einen scharfen Schnitt auf zwei aufeinander folgende Zeiten im Kirchenjahr aufmerksam. Er setzt mit dem archaischen Aschenritus einen klaren Kontrast zur bisherigen Zeit im Jahreskreis – vielerorts eben durch die Fasnacht geprägt – und eröffnet die 40tägige Österliche Busszeit: Zeit der Umkehr und Einkehr, der Reue und Busse. Sie soll uns auf das grösste Fest des Jahreskreises vorbereiten: Ostern. Der Ritus des Aschenkreuzes ist Hilfe, diesen Wechsel zu vollziehen. In Sack und Asche gehenChristen, welche Kapitalsünden zu büssen hatten, mussten dies in der frühen Kirche öffentlich tun. Zu Beginn der Fastenzeit legten sie ein Bussgewand an, bekamen Asche aufs Haupt gestreut und taten Busse bis zur Osternacht, in der sie wieder in die sakramentale Gemeinschaft der Kirche eingegliedert wurden. Die Symbolik der Asche als Bild der Vergänglichkeit und Zeichen der Trauer und der Busse ist seit alttestamentlicher Zeit belegt (2 Sam 13,19; Ps 102,10; Jes 58,5; u.a.) und war auch ausserhalb Israels Brauch (Ägypter, Araber, Griechen). Die junge Kirche kannte also das Bild (Mt 11,21; Lk 10,13) und übernahm diese ausdrucksvolle Gebärde selbstverständlich. Als die öffentliche Busse im 10. Jahrhundert ausser Gebrauch kam, übertrug sich die Asche-Symbolik auf alle Gläubigen, die den Ritus teilweise schon früher aus Solidarität zu den Büssern an sich vollziehen liessen. Dieser Brauch wurde bei der liturgischen Neuordnung behalten. Zeichen der Zeit – der UmkehrSo wird auch heute noch in der Messe am Aschermittwoch den Gläubigen als Symbol der Busse und Reinigung ein Aschenkreuz auf die Stirn gezeichnet oder auf den Kopf gestreut mit einem der folgenden Worte: Heute kennt die kirchliche Ordnung im Gegensatz zu früheren Jahrhunderten nur noch zwei gebotene Fast- und Abstinenztage im Jahr. Neben dem Karfreitag, dem Gedächtnistag des Leidens und Sterbens unseres Herrn, sind die Christen am Aschermittwoch gehalten, Askese zu üben: der Eintritt in die österliche Busszeit soll sich ins Bewusstsein einschreiben, soll sich „inkarnieren". Der Kontrast zwischen fröhlicher Ausgelassenheit der Fasnacht und der nun folgenden Fastenzeit tut gut und hilft uns, beide Aspekte als sich ergänzende Facetten des Menschseins zu integrieren, das von Ostern her seine wahre Bestimmung erfährt. Der österliche MenschEs zeigt sich also auch hier: Das Pascha-Mysterium wirft Licht auf das, was Christen glauben, tun und lassen. Erst von Ostern her wird die Vorbereitungszeit und damit letztlich auch die Zeit der fröhlichen Ausgelassenheit davor richtig verstanden: Das Fest der Auferstehung unseres Herrn, der Leiden und Tod überwunden hat, gibt der Fastenzeit ihren Sinn und ruft uns die Hinlänglichkeit des irdischen Lebens in Erinnerung. Die Erkenntnis des Gerettet-seins unseres vergänglichen irdischen Lebens ist es aber auch, die uns in froher Gelassenheit Feste feiern lässt. Der innere Zusammenhang zwischen der christlichen Deutung von Tod und Leben kommt auch im Detail zum Ausdruck, dass jeweils zur Herstellung der Asche die Palmenzweige vom vorjährigen Palmsonntag, welche das Jahr über die Kreuze geziert hatten, eingesammelt und verbrannt werden sollen. Sehr schön kommt der Sinn des Aschermittwochs zum Ausdruck in der Plastik „Kreuz" (2003) von Madeleine Dietz. Das Stahlgehäuse ihres Kreuzes mag Festigkeit, Beständigkeit anzeigen: die Unumstösslichkeit des Ereignisses des Kreuzes Christi – uns zum Heil. Die Erde darin erinnert an die Symbolik des Aschenkreuzes: Vergänglichkeit. Memento mori. Und in diesem Sinne auch den Leib Jesu, der aber durch den Tod hindurch Leib Christi wurde: zum Symbol des Lebens schlechthin. Und Leib Christi ist Kirche: die sich aus vielen Tausend vergänglichen Körnern konstituierende, durch Christus zusammen gehaltene und zum ewigen Leben bestimmte Gemeinschaft der Lebenden! Peter Spichtig op |
Praxis-TippWort-Gottes-Feier am Aschermittwoch mit dem Feierbuch Wort-Gottes-Feiern am Sonntag (2014) Geistlicher ImpulsWie durch ein enges Torkommt man durch Beten und Fasten in einen weiten Raum. Basilius der Grosse Links |