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Hintergrund

Kirche sein im Feiern und Verstehen

Hintergrund

Kirche sein im Feiern und Verstehen

Kommunionspendeformel thumbKommunionspendeformel

Das Brot des Lebens ist der Leib Christi

Vor Jahren drückte mir ein Priester die Hostie freundlich lächelnd ohne jedes Wort in die Hand - eine Ausnahme. Zur Austeilung der Eucharistie höre ich aber Verschiedenes.

Das schweigende Reichen der konsekrierten Hostie in einer Feier der Eucharistie stiftet Verwirrung und ist dem Geschehen sicher nicht angemessen. Doch welche Bedeutung haben die Worte, die zur Austeilung der eucharistischen Gaben gesprochen werden? Ein Blick in die Geschichte zeigt zwei Sinnebenen der Kommunionspendeformeln: Bekenntnis und Segenswunsch. In beiden ist das Geheimnis der realen Gegenwart Jesu Christi in seiner Bedeutung für uns angesprochen.

„Brot des Himmels"

Eine unserer frühesten liturgischen Quellen, die sogenannte „Apostolische Überlieferung" erklärt uns die Praxis am Beginn des 3. Jahrhunderts: Wenn der Bischof die einzelnen Stücke des Brots reicht, soll er sagen: „Brot des Himmels in Jesus Christus". Und der Empfangende antwortet „Amen". Und nach einer anderen Handschrift: „Das ist das Brot des Himmels, der Leib Jesu Christi" – „Amen". Amen heisst: das ist gewiss, das ist wahr, das gilt. Dieses Amen ist ein Glaubenszeugnis: Ja, das ist das Brot des Himmels, das ist sein Leib, er selbst in Brotgestalt. Das Spendewort und die Antwort, das Amen, ist ein Bekenntnis zu Christus.
Ein Jahrhundert später sprechen Christen in Syrien, Mailand und Nordafrika ihr Amen zu einem noch kürzeren und einfacheren Bekenntnis: „Leib Christi – Amen" und: „Blut Christi – Amen". Diese Worte zur Kommunionspendung entsprechen den Abendmahlsberichten der Evangelisten Matthäus (Mt 26,26.28), Markus (Mk 14,22.24) und Lukas (Lk 22,19-20). Die Bischöfe jener Zeit erklären den Neugetauften: Die Eucharistie zu empfangen ist ein Bekenntnis zu Christus und der Lebensgemeinschaft mit ihm in seinem Leib und Blut (siehe dazu Randspalte: Geistlicher Impuls). Deshalb ist die Bekräftigung dieses Glaubens mit dem schlichten Amen so wichtig. Das Herz soll den Glauben bewahren, den die Zunge im Amen bekennt.

Segenswunsch

Am Beginn des Mittelalters, ab dem 8. Jahrhundert, kommt auf fränkischem Boden eine neue Spendeformel auf: Der Leib unseres Herrn Jesus Christus bewahre deine Seele (oder: dich) zum ewigen Leben. Die zu dieser Zeit schon nachlassende Kommunion der Gläubigen verbindet sich mit einem Segenswunsch. Die altkirchliche Bekenntnisformel wird abgelöst durch Segensformeln für Blut und Wein mit verschiedenen Varianten: Der Leib/das Blut unseres Herrn Jesus Christus - schütze/heilige/bewahre - dich/deine Seele/den Körper und deine Seele - zum ewigen Leben - zur Vergebung aller/deiner Sünden.
Die älteste Fassung dieses Segenswunsches hat sich im Kommunionwort für das Brot der Eucharistie erhalten, das bis zum Zweiten Vatikanischen Konzils verwendet wurde: Corpus Domini nostri Jesu Christi custodiat animam tuam in vitam aeternam. Amen. (deutsch: Der Leib unseres Herrn Jesus Christus bewahre deine Seele zum ewigen Leben.) Diese Formel ist auch in der nachkonziliaren Liturgie erhalten geblieben und zwar für die Kommunion des Priesters. Zum Altar gewandt spricht er leise: Der Leib Christi/das Blut Christi schenke mir das ewige Leben.
Die leibhafte Präsenz des Herrn in den eucharistischen Gaben ist mit dem Segenswunsch ebenso wenig vergessen (corpus Christi) wie die über den Tod bis ins ewige Leben fortdauernde Gemeinschaft mit Christus.

Rückkehr zum Ursprung

Die vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert verwendete Formel brachte mit dem Segenszuspruch den Glaubensentscheid der einzelnen Christen weniger deutlich zum Ausdruck als die altkirchliche Formel. Dies war ein Motiv für die Wiedereinführung der kurzen, aber gehaltvollen altkirchlichen Formel (sieh dazu Randspalte: Facts). Auf das Amen der Gläubigen wird damit erneut und zu Recht besonderes Augenmerk gelegt.
Manche scheinen dieses Amen nur in ihrem Herzen zu sprechen (oder zu vergessen?), andere sprechen es mit beinahe stummen Lippen, wenige kommen über eine gehauchte Antwort hinaus. Fordert das Bekenntnis zuviel? Ist dieses Brot und dieser Wein vielleicht doch nicht oder nur im übertragenen Sinn Leib und Blut Christi? Kommt das Gute, das Jesus in der Eucharistie schenken will, nicht vielleicht besser zum Ausdruck, wenn man statt „Leib Christi" sagt: „Brot des Lebens", wie man es immer wieder hören kann? Ist das nicht verständlicher, positiver und deshalb auch zustimmungsfähiger – schliesslich sollen wir doch „Ja", also „Amen" dazu sagen?!

„Brot des Lebens"

Diese in den liturgischen Büchern nicht vorgesehene Formel ist ein Zitat aus dem Johannesevangelium. Auf die wunderbare Speisung der 5000 (Joh 6,1-15) folgt die lange Rede Jesu über das Himmelsbrot (Joh 6,22-51), das eucharistische Brot (Joh 6,51-59) und Abfall oder Bekenntnis zu Jesus unter seinen Jüngern (Joh 6,60-71). Im Brotwunder und in der Brotrede gibt Jesus sich zu erkennen:

  • „Denn das Brot, das Gott gibt, kommt vom Himmel herab und gibt der Welt das Leben. ... Ich bin das Brot des Lebens; wer zu mir kommt, wird nie mehr hungern, und wer an mich glaubt, wird nie mehr Durst haben." (Verse 33 und 35)
  • „Ich bin das Brot des Lebens. Eure Väter haben in der Wüste das Manna gegessen und sind gestorben. ... Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wer von diesem Brot ißt, wird in Ewigkeit leben." (Verse 48-49 und 51)

Von diesem Brot zu essen, das ist zunächst einmal bildlich zu verstehen, geht es doch um das Manna in der Wüste und das Neue, das sich im Kommen Jesu in die Welt ereignet. Am Essen des lebendigen Brotes entscheidet sich aber das Verhalten gegenüber Jesus: zu essen ist gleichbedeutend mit an Jesus glauben. Das Essen wird zum Bekenntnis!

Skandalisierende Worte

Der letzte Teil der Brotrede (Joh 6,51-58: siehe Randspalte) lehnt sich deutlich an die Abendmahlsüberlieferung der anderen Evangelien an. Er kann als eine Schriftauslegung, als Midrasch, zur synoptischen Tradition aufgefaßt werden. Nach diesem Teil seiner Rede – unerträglich, wer kann das anhören? (Vers 60) – trennen sich viele Jünger von ihm. Petrus aber bekennt sich zu ihm: Du hast Worte des Lebens, du bist der Heilige Gottes (Verse 68, 69). Am Brot, das als Fleisch des Menschensohnes gegessen, und seinem Blut, das getrunken wird, scheiden sich Unglaube und Glaube im Weggehen oder im Bekenntnis zu Jesus. Vielleicht sind jene Gemeinden, die die Worte zur Austeilung der eucharistischen Gaben als Bekenntnis verstanden und gesprochen haben, von der johanneischen Brotrede inspiriert. Sie folgen an dieser Stelle jedenfalls genau der Logik des Evangeliums.
Wenn heute ein Kommunionspender „Brot des Lebens" sagt und ein Christ mit „Amen" antwortet, stellt er sich in diese urchristliche Tradition. Deshalb ist es wichtig, auch jene Sätze zu verstehen, der wohl am stärksten skandalisieren: „Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht esst und sein Blut nicht trinkt, habt ihr das Leben nicht in euch. Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, hat das ewige Leben ... Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich in ihm. ... Das ist das Brot, das vom Himmel herabgekommen ist." Das Brot vom Himmel ist Brot des Lebens, ist Fleisch des Menschensohnes, ist Leib Christi. Trotz dieses scheinbar schockierenden Realismus geht es hier nicht um das Essen von Menschenfleisch.

„Fleisch des Menschensohnes"

Die Exegese lehrt uns jedes Wort genau zu nehmen. Hier ist es das Wort Menschensohn: „Der Ausdruck ‚Menschensohn' ist schwerlich zufällig gesetzt oder unreflektiert als Bezeichnung Jesu übernommen. Erst als himmlischer Menschensohn wird der irdische Jesus zum Übermittler göttlichen Lebens (vgl. Vers 62). So sehr dem Verfasser daran liegt, die Realität des Fleisches und Blutes Jesu zu betonen, will er doch darauf aufmerksam machen, dass die Glaubenden in der Eucharistie nicht das physische Fleisch und Blut des irdischen Jesus empfangen, sondern das geisterfüllte Fleisch und Blut des himmlischen Menschensohnes. Die Empfänger aber bekennen die Identität des Himmlisch-Gegenwärtigen mit dem geschichtlich Gekommenen." (Rudolf Schnackenburg)
Wer heute „Amen" sagt zum „Brot des Lebens", das er in der Eucharistie empfängt, der bekennt also seinen Glauben an Jesus Christus, der als Mensch aus Fleisch und Blut mitten unter den Menschen lebte, der diesen Leib aus Fleisch für alle Menschen hingab, ihn aber auf eine uns noch unbekannte Art wieder empfangen hat und uns durch das Wirken des Heiligen Geistes in der Eucharistie sakramental in diesen Leib und damit in die Gemeinschaft mit sich aufnehmen möchte. Das Essen ist auch heute noch Bekenntnis zu ihm.

Gunda Brüske

 

Geistlicher Impuls

Was die Zunge bekennt, bewahre das Herz!

„Es war gewiss etwas Grosses und Ehrwürdiges, dass für die Juden Manna vom Himmel herabregnete. Aber überlege: Was ist grösser: das Manna vom Himmel oder der Leib Christi? Doch gewiss der Leib Christi, der der Schöpfer des Himmels ist. Ausserdem ist der, der das Manna gegessen hat, gestorben (vgl. Joh 6,49.58). Wer diesen Leib gegessen hat, wird Vergebung der Sünden erhalten und ‚in Ewigkeit nicht sterben' (Joh 11,26; vgl. 6,51f. 58).
Es ist also keineswegs überflüssig, dass du ‚Amen' sagst und damit im Geist bekennst, dass du den Leib Christi empfängst. Wenn du folglich (um den Leib Christi) gebeten hast, spricht der Bischof zu dir: „Der Leib Christi" (corpus Christi) und du antwortest: ‚Amen', das heisst: ‚So ist es.' Was die Zunge bekennt, bewahre das Herz!"

Ambrosius von Mailand (gestorben 397)

Facts

„Dem Heiligen Vater Papst Paul VI. wurden zahlreiche Bitten vorgelegt, der Leib unseres Herrn Jesus Christus möge den Gläubigen mit einer angemesseneren Spendeformel gereicht werden, auf daß diese in einem höheren Maß tätig und mit größerer Frucht an der Feier des Meßopfers teilnehmen und beim Akt des Kommunionempfanges selbst den Glauben an das hochheilige Geheimnis der Eucharistie bekennen.

Seine Heiligkeit hat diese Bitten gnädig aufgenommen und angeordnet: Die bisherige Formel wird abgeschafft. Der Priester soll bei der Spendung der heiligen Kommunion nur noch sprechen: „Corpus Christi", und die Gläubigen sollen antworten: „Amen". Danach empfangen sie die heilige Kommunion. ..."

Dekret der Ritenkongregation „über die neuen Spendeworte zur Kommunion" vom 25.4.1964

Brotrede Johannes 6,51-58

Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wer von diesem Brot isst, wird in Ewigkeit leben. Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch, (ich gebe es hin) für das Leben der Welt.
Da stritten sich die Juden und sagten: Wie kann er uns sein Fleisch zu essen geben?
Jesus sagte zu ihnen: Amen, amen, das sage ich euch: Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht esst und sein Blut nicht trinkt, habt ihr das Leben nicht in euch. Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, hat das ewige Leben, und ich werde ihn auferwecken am Letzten Tag. Denn mein Fleisch ist wirklich eine Speise und mein Blut ist wirklich ein Trank. Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich bleibe in ihm. Wie mich der lebendige Vater gesandt hat und wie ich durch den Vater lebe, so wird jeder, der mich isst, durch mich leben. Dies ist das Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Mit ihm ist es nicht wie mit dem Brot, das die Väter gegessen haben; sie sind gestorben. Wer aber dieses Brot isst, wird leben in Ewigkeit.

Lesetipp

Birgit Jeggle-Merz, Walter Kirchschläger, Jörg Müller: Mit der Bibel die Messe verstehen. Bd. 2. Stuttgart 2017, 185-196.