Skip to main content

Hintergrund

Kirche sein im Feiern und Verstehen

Hintergrund

Kirche sein im Feiern und Verstehen

Vater unser thumbEinfügung und Schluss des Vaterunser

... gib Frieden in unseren Tagen

Der wahre Friede, der ewige Friede bewahrt vor Unruhe und allem Bösen. Er ist lebensnotwendig. Auch in unseren Tagen.

"Erlöse uns, Herr"

Das wird beim Vaterunser in der Messe gleich zweimal gesprochen: Nach der letzten Bitte ("erlöse uns von dem Bösen") greift ein Einschub das wieder auf. Warum hat die Liturgiereform diese Verdoppelung nicht gestrichen? Sicher nicht nur, weil der Einschub seit mehr als 1600 Jahren gebetet wird. Die Bitte um Errettung von allem Bösen im Einschub verweist vielmehr auf die vielen Formen des Bösen in der Welt. Es gibt nicht nur den einen Bösen in Person, der nach Meinung vieler Exegeten bei der letzten Bitte des Vaterunsers gemeint ist.

Wo Menschen allem Bösen widerstehen können, herrscht Friede. Die Bitte um diesen wahren Friede, der aus Gottes Ewigkeiten in unsere Zeit kommen soll, schliesst sich sinnvoll an. Und sie verbindet das Vaterunser mit dem nachfolgenden Friedensgebet. Schon in unseren Tagen soll sich der Friede ausbreiten, den Christus im österlichen Gruss den Seinen zugesprochen hat. Er ist eine Gabe der Vollendung, ein Geschenk aus der Zukunft, in der der Frieden nie enden wird. Im Hinblick auf dieses Ende sind die Bitten um Gottes Erbarmen und Bewahrung vor Verwirrung und Sünde gesprochen, denn noch erleben und erleiden wir täglich Unfrieden. Aber schon jetzt lebt in jeder Messe die Zuversicht auf das letzte und endgültige Kommen Jesu und seinen Frieden auf. Der Einschub im Vaterunser der Messe bringt das alles mit erstaunlich wenigen Worten zum Ausdruck.

"Denn dein ist das Reich ..."

Der in der Messe verwendete Schluss des Vaterunsers "denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit" fehlt in der Bibel (vgl. Matthäus 6,9-13; Lukas 11,2-4). Aber schon am Beginn des 2. Jahrhunderts wurde die matthäische Version des Vaterunsers mit der Schlussformel in eine Kirchenordnung aufgenommen und bestimmt: „Dreimal am Tag sollt ihr so beten." Die matthäische Version wird seitdem betend nachgesprochen. Die Schlussformel verbreitete sich, so dass sie sogar in Bibelhandschriften beim Vaterunser hinzugefügt war. In der römischen Messe wurde es allerdings nicht gesprochen – wie sie auch heute noch in der Tagzeitenliturgie fehlt.

Liturgien aus der Zeit der Alten Kirchen und aus der Reformation kennen das Vaterunser mit Schlussdoxologie. So sprachen evangelische Christen dann auch dieses Grundgebet. Die ökumenische Fassung des Vaterunsers, die wir heute verwenden, bleibt bei dieser altkirchlichen und evangelischen Gebetstradition. Die Schlussformel wird daher jetzt auch von katholischen Christen in der Messe gesprochen – nicht nur in den Kernländern der Reformation, denn so steht es im lateinischen Messbuch, das die Vorlage für alle volkssprachlichen Übersetzungen darstellt.

Nach den Bitten des Vaterunsers schwingt das Gebet mit den Worten des Lobpreises zurück zu dem, der von Beginn der Zeiten an bis zu ihrem Ende die Energie (griech. dynamis) hat, sein Reich des Friedens bei den Menschen ankommen zu lassen und es am Ende für alle und alles durchsetzen wird.

Gunda Brüske

Stichwort

  • Einschub nach den biblischen Worten "erlöse uns von dem Bösen" in vielen Riten der Ost- und der Westkirche.
  • Er wurde in der römischen Liturgie seit dem 6. Jh. als Gebet des Priesters dem Vaterunser hinzugefügt, im Mittelalter durch viele Heiligennamen erweitert, seit dem 9./10. Jh. still gebetet, ohne eine Schlussdoxologie.
  • In der nachkonziliaren Liturgie entfallen die Heiligennamen; die Einfügung wird wieder laut gesprochen, bleibt aber wie ursprünglich priesterliches Gebet; die Erwartung des wiederkommenden Christus wurde ergänzt.
  • Das Gebet des Herrn wird heute - anders als vor dem Konzil, aber wie bei seiner Aufnahme in die Eucharistiefeier - wieder von allen laut gesprochen.
  • Die von allen gesprochene Schlussdoxologie, ein Text vom Anfang des 2. Jahrhunderts, wurde erst nach dem Konzil dem Vaterunser in der Messe hinzugefügt. Ostkirchliche und reformatorische Liturgien haben es seit langem.

Wider-Worte

"Was du meinst: Sein Wille geschehe! Gott hat es gegeben, und selig sind, die es nehmen, und tot sind, die da nicht hören können wie ich, nicht lieben können in Gottes Namen, die Unseligen, wie ich, die da hassen, weil sie lieben wollen aus eigener Kraft, denn in Gott allein ist die Liebe und die Kraft und die Herrlichkeit, das meinst du doch?"

Max Frisch, Stiller. 1954

Geistlicher Impuls

"Erlöse uns" oder "erlöse mich"?

"Wir beten das Vaterunser meist so, als begänne es 'Vater mein' und als ende es 'erlöse mich von dem Bösen'. Aber der Text spricht von 'uns'. Es ist kein Gebet des Einzelnen, sondern ein Gebet der Kirche. Alle, die an Jesus glauben und deshalb Gott zusammen mit ihm 'Vater' nennen können, beten es. Und sie beten darin nicht für sich als einzelne, sondern für die Kirche.

Bei der Bedrängnis, Erprobung, Versuchung geht es also nicht um etwas, was auf den einzelnen Menschen zukommt, sondern um etwas, was auf die Kirche zukommt. Die Kirche ist schon in der endzeitlichen Bedrängnis, und sie betet, dass das Maul der Unterwelt nicht zuschnappt, sondern dass Gott sie rettend daraus herauszieht, indem er sein Reich aufstrahlen lässt."

Norbert Lohfink (2005)


Ablauf

Das Gebet des Herrn in der Messe

Priester: Gebetseinladung

Alle: Vaterunser (vgl. Matthäus 6,9-13; LK 11,2-4)

Priester: Einfügung "Erlöse uns, Herr, allmächtiger Vater, von allem Bösen und gib Frieden in unseren Tagen. Komm uns zu HIlfe mit deinem Erbarmen und bewahre uns vor Vorwirrung und Sünde, damit wir voll Zuversicht das Kommen unseres Erlösers Jesus Christus erwarten."

Alle: "Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen."