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Hintergrund

Kirche sein im Feiern und Verstehen

Hintergrund

Kirche sein im Feiern und Verstehen

Benedikt XVI thumbGedenke deiner Kirche ...

Was macht der Papst im Hochgebet?

Manchmal muss man jemanden beim Namen nennen. Im Hochgebet z.B. den Papst oder die Zwei, die heiraten. "Ins Gebet genommen" werden sie eigentlich nicht.

Gegen Ende des Hochgebets erklingen einige Namen, die VIPs der katholischen Kirche: der Papst, der Ortsbischof, die Jungfrau und Gottesmutter Maria, aber auch die Neuvermählten in einer Brautmesse und der oder die Verstorbene beim Requiem. Als dieses Element des Hochgebets entstand, wurden mehr und andere als diese paar Namen ausgerufen. Auf Tafeln standen die Namen der Personen, die Gaben für die Feier darbrachten oder für die und in Gemeinschaft mit denen diese Eucharistie gefeiert wurde. Diese Namensverlesung erfolgte zunächst vor dem Hochgebet, seit dem 5. Jahrhundert dann im Hochgebet selbst – so ist es bis heute.

Fürbitten im Hochgebet?

Eingeführt werden die Personen durch einen Aufruf: „gedenke", „erbarme dich", „beschütze", „erhöre" oder auch „wir empfehlen dir". Die Betenden treten also für diese Personen ein (deshalb Interzessionen genannt, siehe Stichwort). Das führt vielfach zu einer Verwechslung mit den Fürbitten, dem allgemeinen Gebet der Gläubigen. Verständlicherweise, denn oft werden da dieselben Worte gebraucht. Man könnte also meinen, das ist eine unnötige Verdoppelung von Fürbitten. Aber es gibt bedeutsame Unterschiede.

Kirche ist Gemeinschaft!

Um den Unterschied zwischen den Fürbitten und den Interzessionen zu verstehen, muss man darauf achten, an welcher Stelle im Ablauf der Messe dieses Beten für jemanden steht. Die Fürbitten folgen auf das Evangelium, das allen Menschen verkündet werden soll. Im fürbittenden Gebet treten Christen für alle Menschen und die ganze Welt ein. Die Interzessionen im Hochgebet folgen auf die Bitte an den Geist, dass er die Mitfeiernden je neu zur Gemeinschaft mit Christus und untereinander verbindet, z.B. im IV. Hochgebet: „gib, dass alle, die Anteil erhalten an dem einen Brot und dem einen Kelch, ein Leib werden im Heiligen Geist". Die Eucharistie stiftet und vertieft die Einheit untereinander. Im „Hochgebet für Messen für besondere Anliegen II" wird das im ersten Satz der Interzessionen zum Ausdruck gebracht: „Barmherziger Gott, durch die Teilnahme an diesem Mahl stärke uns in der Einheit." Diese Einheit und Gemeinschaft der Kirche wird in nächsten Sätzen mit Namen benannt: „Gedenke deiner Kirche auf der ganzen Erde und vollende dein Volk in der Liebe, vereint mit unserem Papst (folgt der Name), unserem Bischof (folgt der Name) und allen Bischöfen, unseren Priestern und Diakonen und mit allen, die zum Dienst in der Kirche bestellt sind." (II. Hochgebet) In den Blick kommt also die katholischen Kirche in ihrer den Erdkreis umspannenden Dimension durch Nennung des Papstes, in ihrer ortskirchlichen Bedeutung durch Nennung des Bischofs und aller seiner MitarbeiterInnen.

Mit wem und mit wem nicht?

Wenn die katholische Kirche einst volle Kirchengemeinschaft mit einer orthodoxen Kirche oder einer anderen Kirche hätte, würden in einer zukünftigen Liturgie hier aller Wahrscheinlichkeit nach die Namen der orthodoxen Patriarchen oder der Leitenden von Reformationskirchen genannt werden. Wenn umgekehrt Personen und Namen weggelassen werden, ist das ein verstörendes Zeichen: Möchte jemand die Gemeinschaft mit dem römischen Bischof, dem Papst, oder mit dem Ortsbischof verschweigen oder gar aus irgendeinem Ärger aufkündigen? Oder verwechselt er nur Fürbitten und Interzessionen und tauscht den Papst und die Bischöfe gegen jene aus, die noch mehr Hilfe brauchen als diese?

Aber Papst und Bischof sind nicht die einzigen, die namentlich genannt werden. Bei Messen zu bestimmten Anlässen folgen an dieser Stelle z.B. die Namen der Neuvermählten. Immer sind es lebende Mitglieder der Kirche, die am Beginn der Interzessionen genannt werden. Im III. Hochgebet weitet sich der Kreis noch mehr, wenn es heisst: „und führe zu dir auch alle deine Söhne und Töchter, die noch fern sind von dir." Diese Bitte greift über die Kirche hinaus. Gemeint sind "alle Kinder Gottes ..., die zum Heil berufen und am Ende der Zeiten zur Königsherrschaft Gottes vereint werden." (Karl-Heinz Kocka) Das Kirchenverständnis des II. Vatikanischen Konzils steht hinter diese Bitte: "Zum neuen Gottesvolk werden alle Menschen gerufen. Darum muss dieses Volk eines und ein einziges bleiben und sich über die ganze Welt und durch alle Zeiten hin ausbreiten. So soll sich das Ziel des Willens Gottes erfüllen, der das Menschengeschlecht am Anfang als eines gegründet und beschlossen hat, seine Kinder aus der Zerstreuung wieder zur Einheit zu versammeln (vgl. Johannes 11,52) ... Zu dieser katholischen Einheit des Gottesvolkes, die den allumfassenden Frieden bezeichnet und fördert, sind alle Menschen berufen. Auf verschiedene Weise gehören ihr zu oder sind ihr zugeordnet die katholischen Gläubigen, die anderen an Christus Glaubenden und schliesslich alle Menschen überhaupt, die durch die Gnade Gottes zum Heile berufen sind." (Lumen Gentium Nr. 13)

Über den Tod hinaus

Nach den Lebenden werden die zur Kirche gehörenden Verstorbenen genannt: „Gedenke aller Brüder und Schwestern, die entschlafen sind ..." (II. Hochgebet). Noch einmal weitet sich dann der Blick, wenn die Kirche als Gemeinschaft der Heiligen aufgerufen wird: „... schenke uns allen das Erbe des Himmels in Gemeinschaft mit der seligen Jungfrau und Gottesmutter Maria, mit deinen Aposteln und allen Heiligen." (IV. Hochgebet) Damit richtet sich der Blick auf die himmlische Wirklichkeit, wo die neue Schöpfung vollendet und das Reich Gottes gekommen ist. Die Gemeinschaft mit Jesus und die Gemeinschaft untereinander, die in den Interzessionen ausgesprochen wird, erfüllt sich wenn alle gemeinsam „zu Tische sitzen in deinem Reich" (III. Hochgebet). Das ist sozusagen die letzte Strophe des Hochgebets, das sich rundet im abschliessenden und zusammenfassenden Lobpreis „Durch ihn und mit ihm und in ihm ist dir, Gott, allmächtiger Vater, in der Einheit des Heiligen Geistes alle Herrlichkeit und Ehre jetzt und in Ewigkeit."

Gunda Brüske

 

Stichwort

  • Interzessionen: Fachwort für diesen Teil des Eucharistischen Hochgebets, von lateinisch intercedere = dazwischentreten, vermittelnd eintreten
  • ursprünglich vor dem Hochgebet als Verlesung der Namen von Personen, die an der Eucharistie besonders beteiligt sind
  • Ab dem 5. Jahrhundert werden die Namen in der stadtrömischen Liturgie und den östlichen Liturgie in das Hochgebet verschoben.
  • Die Interzessionen als Bitte "Gedenke" oder Fürbitte sind vor allem Ausdruck der Gemeinschaft (Communio) der Kirche: die lebenden Mitglieder der Kirche, die Verstorbenen, die Heiligen. Interzessionen haben also eine andere Bedeutung als das allgemeine Gebet der Gläubigen (Fürbitten).

Geistlicher Impuls

"Weil die Vollendung des Gottesreiches noch nicht erreicht ist, 'besteht die Gefahr, dass das Heilszeichen des einen Gottesvolkes verdunkelt und unkenntlich gemacht wird durch Eigensinn, durch Spaltung, durch Entzweiung unter den Gläubigen. Wenn wir diese Gefahr erkennen, werden wir alles, was in unseren Kräften steht, aufwenden, die Einheit im Volk Gottes zu bewahren.' (Ph. Harnoncourt) Die Gemeinde betet mit dem Papst, dem Ortsbischof und allen Bischöfen; gleichzeitig betet man auch für sie. Es geht hier aber nicht nur um eine Fürbitte, sondern mehr darum, das Gebet und die ganze Eucharistiefeier als Feier der einen Kirche zu bekunden und damit den Willen zur Einheit der Kirche auszusprechen.

In jeder Anaphora (griech. für Hochgebet) betet man auch für diejenigen, die zum Ganzen des Gottesvolkes gehören: die lebenden und die verstorbenen Christen. Auch hier liegt die Betonung ... auf der Verbundenheit der versammelten Gemeinde mit der Gemeinschaft der Heiligen. Es ist wichtig, 'das Gebet als Form des Miteinander-Glaubens zu erfassen, und die Kirche als Ort des Miteinander- und Füreinander-Betens zu erfahren.' (Ph. Harnoncourt)"

Marijan Steiner SJ (1995)

Facts

"Als wichtige Elemente des eucharistischen Hochgebetes gelten: ...

g) Interzessionen: Sie bringen zum Ausdruck, dass die Eucharistie in Gemeinschaft mit der ganzen Kirche, der himmlischen wie der irdischen, gefeiert wird und dass die Darbringung für sie und alle ihre Glieder, die Lebenden wie Verstorbenen, erfolgt, da sie alle zur Teilnahme an dem durch Christi Leib und Blut erlangten Heil der Erlösten berufen sind. ..."

Allgemeine Einführung in das Römische Messbuch Nr. 55