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Hintergrund

Kirche sein im Feiern und Verstehen

Hintergrund

Kirche sein im Feiern und Verstehen

hand gottes thumbSegensfeiern

Er hüte dein Leben: beim Kommen und Gehen - heute und immer.

Im Segen wird die Lebensgeschichte des Menschen in die Liturgie hinein genommen, die Fülle des Guten und Schweres. Das gibt Segnungen Gewicht.

Seit beinahe ewigen Zeiten gehören Segen und Biographie zusammen, denn von den ersten Seiten der Bibel an spricht Gott Menschen Segen zu und begleitet so ihren Weg. Was damals anfing, ist noch immer nicht zu Ende: Durch Jesus hat Gott gezeigt, dass er mit seinem Segen bis zum letzten Ende bei den Menschen sein will. Diese Zusage wird im Segenshandeln der Liturgie konkret.

Schwellen

Wo hat der Segen in Bibel, Liturgie und Leben seinen Ort? Er steht an der Schwelle zwischen dem bisherigen, alten, bekannten Weg und der neuen unbekannten, vielleicht sehr schönen, vielleicht aber auch riskanten Strecke. Als der sterbende Jakob Ephraim und Manasse segnet, fasst er die vergangene Geschichte zusammen im Segen über die beiden Kinder: „Gott, vor dem meine Väter Abraham und Isaak ihren Weg gegangen sind, Gott, der mein Hirt war mein Lebtag bis heute, ... er segne die Knaben. ..." (Genesis 48,15f). An der Schwelle von Leben und Tod gedenkt Jakob des vergangenen Handelns Gottes bis zu diesem Tag und richtet seinen Blick in die Zukunft. Die Schwelle grenzt vorher und nachher voneinander ab.

Weil die Schwelle unterscheidet, ist sie der metaphorische Ort von Scheiden und Abschied, von Anfang und Ende. Das zeigt eindrücklich auch Abraham: „Der Herr sprach zu Abram: Zieh weg aus deinem Land, von deiner Verwandtschaft und aus deinem Vaterhaus in das Land, das ich dir zeigen werde. Ich werde dich zu einem großen Volk machen, dich segnen und deinen Namen gross machen. ..." (Genesis 12,1f)

segnen codex rossanoDie Segensverheissung zieht ihn gewissermaßen über die Schwelle seines Vaterhauses weg in ein fremdes Land. Sie eröffnet Zukunft. Und Abraham macht sich auf den Weg, den Gott ihm zeigt. Gottes Segen zeigt sich als Mit-Sein auf dem Weg. Was vorher war und nachher sein wird, das vertraute Alte und das unbekannte Neue, Gottes Mit-Sein trägt es gleichermaßen. Die Schwellenangst ist umfangen von seinem Segen: Aus der Enge entspringt kraft seines Segens die Weite eines Weges.

Segen feiern

In jeder Lebensgeschichte gibt es diese Schwellen: Geburt oder Tod, Neubeginn durch familiäre oder berufliche Veränderungen, Trennungen – das alles lässt Menschen auch heute erfahren, dass ein guter Verlauf des Wegs nicht selbstverständlich ist. So vielfältig wie die Schwellen im Lebenslauf sind auch die liturgischen Segensformen, zum Beispiel:

      • an der Schwelle vom Abend zur Nacht, bzw. vor dem Schlafengehen mit den Worten der Komplet: „Eine ruhige Nacht und ein gutes Ende gewähre uns der allmächtige Herr."
      • als Reisesegen,
      • als Segensfeier für Kinder oder Jugendliche z.B. am Schulanfang oder beim Austritt aus der Schule,
      • als Segnung einer Wohnung oder eines Hauses oder beim Eintritt in ein Altenheim,
      • als Segnung von kranken Menschen – Kindern oder Erwachsenen.

Auf der Schwelle wird allen Mitfeiernden in der biblischen Lesung ein gutes Wort mit auf den Weg gegeben, die Fürbitten treten für diese und andere Menschen ein, im Segenswort wird Gottes Mit-Sein zugesprochen, in den Segensgesten Kreuzzeichen oder Handauflegung ist es leibhaftig erfahrbar.

Überfluss

Üppige Fruchtbarkeit, Leben schlechthin beinhaltet der Segen des Herrn: „Er [Gott] wird dich lieben, dich segnen und dich zahlreich machen. Er wird die Frucht deines Leibes und die Frucht deines Ackers segnen, dein Korn, deinen Wein und dein Öl, die Kälber, Lämmer und Zicklein ... Nichts wird bei dir unfruchtbar sein" (Deuteronomium 7,13f). Gottes Segen wirkt das Gutsein der Schöpfung, ihre Fülle, für die dem Schöpfer Lobpreis und Dank gebührt. Deshalb heisst es noch bei Paulus: „Denn alles, was Gott geschaffen hat, ist gut, und nichts ist verwerflich, wenn es mit Dank genossen wird; es wird geheiligt durch Gottes Wort und durch das Gebet." (1 Timotheusbrief 4,4f) Gottes Segen gibt es nicht in homöopathischer Verdünnung. Was von ihm geschaffen ist, ist ganz und gar gut. So sagt es Psalm 145,16 und mit ihm auch viele Tischgebete: „Du öffnest deine Hand und erfüllst alles, was lebt, mit Segen." Alle Benediktionen über Gaben der Schöpfung setzen das segensvolle Gut-sein voraus - beim Tischsegen, der Speisensegnung an Ostern, der Kräutersegnung an Maria Himmelfahrt oder der Segnung der Erntegaben.

Beziehungsgeschichten

Der Segen hat also seinen Ort in der Beziehung von Gott und Mensch, wie sie durch Schöpfung und Heilsgeschichte begründet ist. Vom Segen über die ersterschaffenen Menschen (Genesis 1,28) an ist klar, wer diese Beziehung stiftet und eröffnet: Gott. Der Segen ist eine Weise seines zuvorkommenden Handelns. Menschen antworten seit biblischen Zeiten darauf, indem sie Gott loben und preisen. Und weil Gott sich als zuverlässiger Wegbegleiter erwiesen hat und alles Gute gibt, wenden sich Menschen mit der Bitte an ihn, wieder oder weiterhin Segen zu schenken. Dieser Logik folgen auch die Benediktionen, die liturgischen Segensfeiern: in der Verkündigung des Wortes Gottes wird sein biblisch bezeugtes Segenshandeln vergegenwärtigt, in preisenden Anrufungen antworten die Feiernden darauf, schliesslich erbitten sie Gottes Segen hier und heute für Menschen oder für Dinge aus ihrer Lebenswelt.

„Gesegnet wird man nicht nur für sich selbst." (Joachim Wanke)

In der Zuversicht, dass Gott die Beziehung mit den Menschen – jeder und jedem einzelnen – nie fallen lässt, wird am Ende von vielen liturgischen Feiern allen Anwesenden der Segen zugesprochen: „Gott, der Herr, segne dich". Trotzdem ist der Segen nichts rein Privates. Weil es keine Lebensgeschichte ohne die lieben, und doch manchmal schwierigen Mitmenschen gibt, können diese auch nicht aus dem Segen ausgeschlossen werden. Auch Gottes besonderer Segen über die Erzväter erging an Einzelne im Hinblick auf das Volk Israel. Durch Tod und Auferstehung Jesu ist unser Tod – Schwelle schlechthin! – überwunden, so dass wir sagen können: Gott hat Jesus zum Segen für uns gemacht.

Das Segenshandeln Gottes hat also etwas Überfliessendes – auch in der Liturgie. Deshalb ist der Schlusssegen auf der Schwelle zwischen Liturgie und alltäglichem Leben so wichtig. Was sich in der liturgischen Feier ereignet hat, die Vergegenwärtigung von Gottes Geschichte mit dem Menschen in Wort und Zeichen, darf nicht vergessen werden, sondern geht weiter, wenn jemand über die Schwelle des Kircheninneren nach aussen tritt, ja es vollendet sich erst hier – im Gottesdienst des Lebens. Der Segen zieht nämlich die Feiernden über diese Schwelle der Kirche in ein neues Dasein, er ruft ihnen wie einst dem Abraham zu: „Und Du - werde ein Segen!"

Gunda Brüske

 

Stichwort

  • biblisch und liturgisch: Gott segnet - der Mensch lobt und preist Gott für Gottes Segen - weil Gott in der Vergangenheit Segen gespendet hat, kann der Mensch ihn hier und heute erneut um seinen Segen bitten.
  • Das deutsche Wort segnen kommt von lateinisch signare: mit dem Kreuz bezeichnen.
  • Segenszeichen: Kreuzzeichen, Handauflegung, Besprengen mit Weihwasser, Weihrauch
  • Jeder Getaufte und Gefirmte kann segnen. Für liturgische Feiern gilt: Dem Bischof sind Segnungen vorbehalten, die eine besondere Beziehung zum Leben der Diözese sichtbar machen; Priester, Diakon und bearuftragte Laien segnen im Leben der Pfarrgemeinde oder im örtlichen öffentlichen Leben; Eltern segnen in der Familie.
  • Formulare, Texte für Segnungen sowie eine Einführung (siehe auch Links) stehen im Benediktionale.
  • Das Segnen hat seinen Ort innerhalb der Gottesbeziehung und ist kein magisches Tun.

Praxis-Tipp

Segensgebet aus dem Kongo

Gott segne dich!

Er erfülle deine Füsse mit Tanz
und deine Arme mit Kraft.
Er erfülle dein Herz mit Zärtlichkeit
und deine Augen mit Lachen.

Er erfülle deine Ohren mit Musik
und deine Nase mit Wohlgerüchen.
Er erfülle deinen Mund mit Jubel
und dein Herz mit Freude.

Er schenke dir immer neu
die Gnade der Wüste:
Stille
frisches Wasser
und neue Hoffnung.

Er gebe uns allen immer neu die Kraft,
der Hoffnung ein Gesicht zu geben.

Es segne dich Gott!

Geistlicher Impuls

"Ich habe viele Gedichte über ihn (meinen Vater) geschrieben. Ich vermisse ihn sehr; es ist schade, dass er nicht mehr da ist. Der Vater wirkte, wenigstens auf mich, keineswegs autoritär. ... Bis an den Tag meiner Priesterweihe gab er mir immer das Kreuzzeichen auf die Stirn, wenn ich schlafen ging oder mich verabschiedete. Das fand ich schön und ich hatte es gern. Am Abend meiner Priesterweihe sagte er: 'Von nun an sollst du es bei mir tun.'

Ich habe es einmal getan, als er tot war. Der Vater war während seiner Ferien in Italien gestorben. Als der ... Sarg mit seiner Leiche im Hauptbahnhof in Amsterdam eintraf, wollte ich ihn irgendwie identifizieren. Ich ließ den Sarg öffnen. ... Da habe ich ihm das Kreuzzeichen auf die Stirn gedrückt, zum ersten und letzten Mal.

In der heiligen Nacht 1971 wurde mein Sohn Tjeerd-Pieter David geboren. Ich habe ihm sofort ein Kreuzlein auf die Stirn gedrückt und gesagt: Du bist Tjeerd-Pieter David, und Gespenster gibt's nicht!'"

Huub Oosterhuis 1972

Facts

schoepfung









"Vom Anfang bis zum Ende der Zeiten ist das ganze Werk Gottes Segen. Vom liturgischen Gedicht der ersten Schöpfung bis zu den Lobgesängen im himmlischen Jerusalem verkünden die inspirierten Autoren den Heilsplan als eine unermessliche göttliche Segnung."

Katechismus der Katholischen Kirche Nr. 1079

Ablauf

Vollform einer Segensfeier
  1. Eröffnung mit Gesang
  2. Begrüssungswort und Einführung
  3. Eröffnungsgebet
  4. Schriftlesung
  5. Antwortgesang
  6. Ansprache
  7. Segnung
  8. Fürbitten
  9. Gebet des Herrn
  10. Entlassung

„Die Vollform kann ... durch Erweiterung und Kürzung an die Situation angepasst werden. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Struktur gewahrt bleibt. ... Ferner kann sich die Gestalt mit der Zahl der Teilnehmenden ändern.
Ist eine beträchtliche Kürzung erforderlich, so müssen die Schriftlesung oder wenigstens ein kurzes Schriftwort, eine kurze Deutung der Segenshandlung und das Segensgebet bleiben."

Benediktionale S. 17, Nr. 22

Lesetipp

Michael Blum/Hanns Dieter Hüsch: Das kleine Buch zum Segen

Unkonventionelle, kräftige und gleichzeitig poetische Segensgebete des Kabarettisten Hüsch, illustriert von M. Blum. Die Segensgebete wurden in einer evangelischen Kirche im Rheinland im Gottesdienst vorgetragen.

tvd-Verlag Düsseldorf, 3. Aufl. 1999, 48 Seiten.