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Hintergrund

Kirche sein im Feiern und Verstehen

Hintergrund

Kirche sein im Feiern und Verstehen

Dreifaltigkeitsikone thumbDreifaltigkeitssonntag

Durchblick auf den Urgrund des Heils

Gott ist so lebendig, dass er in sich reich ist an Beziehung. Wie er ist, schenkt er sich: Raum für uns im beziehungsreichen Gott. Wonne, Seligkeit, Lobpreis: ein schwieriges Fest?

Zwei Fehler sollte man nicht machen, wenn man sich dem Hochfest der Dreifaltigkeit nähern will: isolieren und abstrahieren. Beide Fehler hängen miteinander zusammen: Wer das Fest aus seinem Zusammenhang im Festjahr herausnimmt, der wird leicht den Eindruck bekommen, hier werde nun eine abstrakte dogmatische Wahrheit „gefeiert". (Geht das aber überhaupt, ein Dogma feiern?). Und wer nun innerhalb der Festmesse vornehmlich auf die in der Tat dogmatisch „gepanzerte" Präfation blickt, der wird sich in diesem Eindruck bestätigt fühlen. Aber dann hätte er schon ein weiteres Mal einen Teil der Liturgie aus ihrem Zusammenhang gelöst.

Aber, liebe Predigerinnen und Prediger, die ich hier ausnahmsweise gesondert anspreche (alle die an diesem Sonntag nicht predigen oder „nur" eine Predigt hören, dürfen aber gerne mitlesen), keine Angst vor diesem Fest! Weder sollte man davonlaufen oder Vermeidungsverhalten an den Tag legen, noch muss es einem die Perlen des Angstschweisses auf die Stirn treiben, nun einmal im Jahr stotternd das „unausprechliche Geheimnis der allerheiligsten Dreifaltigkeit" erklären zu sollen. Denn in diesem „einmal im Jahr" liegt bereits der Hund begraben. Eigentlich müsste doch jede konkrete Rede von Gott vom Zusammenspiel des Einzigen, absolut Lebendigen mit der Auslegung dieser Lebendigkeit als Vater, Sohn und Geist geprägt sein, oder? Denn so zeigt sich der Gott der Bibel im bleibenden Zueinander von Erstem und Zweitem Testament!

Gott gibt sich selbst

Nur von dorther wissen wir ja auch davon! Der Glaube an den dreifaltigen Gott ist eben nicht das Ergebnis abstrakter Spekulation, sondern die Antwort auf die Weise, wie Gott sich offenbart. Dies aber wiederum nicht so, dass da eine uns ansonsten nicht berührende „Wahrheit" über Gott „mitgeteilt" würde. Sondern: Gott teilt sich selbst mit. Gott schenkt nicht etwas von sich Verschiedenes, sondern sich selbst. Und deshalb ist er so, wie er sich schenkt. In Jesus und im Geist begegnen uns aber wahrhaft und wirklich Gott selbst, in ihnen ist er auf verschiedene Weise endgültig nah und doch sind beide bezogen auf den Vater, der sie sendet. Das heisst: In Gott selbst ist Differenz, in Gott selbst ist Beziehung. Als Vater bleibt Gott der transzendente Ursprung, der sich trotz seiner radikal beteiligten Liebe nicht in der Welt verliert, als Sohn springt er mitten in den Staub der Geschichte bis zur Hingabe am Kreuz, als Geist nimmt er unser Herz und unsere Augen und öffnet sie für die Wirklichkeit der Liebe Gottes, die er selbst ist, und für unsere Nächsten.

Gott - in sich beziehungsreich

Das ist es nämlich: Gott ist so lebendig, dass er sich als in sich beziehungsreich erweist. Denn diese Lebendigkeit ist von Ewigkeit zu Ewigkeit schenkende Liebe in Vollendung; in einer Fülle, vor der wir nur staunen können. Zur schenkenden Liebe gehört das Gegenüber; noch deutlicher: gehört die Andersheit, die Differenz; Andersheit, die niemals aufgehoben, sondern in der lebendigen Liebe immer neu bejaht wird. Der lebendige, eine Gott ist in sich dreimal anders. Als schenkende Liebe vollzieht er seine Liebe nicht in narzisstischer Selbstbespiegelung sondern als Beziehungsreichtum dreifacher Andersheit - und ist gerade so der eine und einzige. Denn nur der eine und einzige Gott kann auf diese Weise lebendig sein. Er ist in sich Ursprung (Vater), Gegenüber (Sohn) und Frucht der Liebe (Geist), Liebe also, die in sich vollendete Fülle ist, die niemanden „braucht", aber als Frucht die Möglichkeit des völlig frei schenkenden Überstiegs in sich enthält. Denn sie ist schon von Ewigkeit zu Ewigkeit nicht bei sich geblieben.

Der beziehungsreiche Gott hat Raum für seine Schöpfung

Was ich hier den Beziehungsreichtum dreifach-unaufhebbarer Andersheit genannt habe, ist in der traditionellen Sprache der Kirche nichts anderes als die Dreipersönlichkeit Gottes in der Einheit des Wesens. Zu dieser Andersheit aber gehört die Differenz. (Bin ich nun nicht doch ganz abstrakt geworden? Sind Ausdrücke wie „Andersheit" und „Differenz" nicht geradezu furchtbar formal und abstrakt? Isoliert genommen vielleicht, aber man muss sich nur klar machen: Die Bejahung der Andersheit, die Bejahung der Differenz unterscheidet die menschliche und - noch viel radikaler - göttliche Gestalt der Liebe von einem narzisstischen „bei sich selbst bleiben" und vom Wunsch nach symbiotischer Verschmelzung. So haben diese Wörter einen ganz konkreten und ganz wichtigen Sinn.) Bildlich gesprochen heisst das: Gott ist nicht ein monolithischer Block, nicht kompakte Geschlossenheit, sondern in Gott ist Raum, Raum für die Schöpfung, deren bejahte Andersheit (in der unendlichen Unterscheidung von Schöpfer und Geschöpf) im liebenden Ja der göttlichen Personen zueinander bereits vorbereitet ist. So ist dann Raum auch für die Teilhabe der Schöpfung, für unsere Teilhabe am Beziehungsleben Gottes.

Der dreifaltige Gott - Ursprung und Ziel

Was heisst das? Der dreifaltige Gott (und zwar wirklich: als dreifaltiger) ist Urgrund der Schöpfung, ist Urgrund der Geschichte, die er immer schon mit der ganzen Schöpfung führt, ist Urgrund der Geschichte, in der Israel in besonderer Weise erwählt ist, ist Urgrund der Sendung des Sohnes und des Geistes in der der Anfang der Vollendung von Schöpfung, Mensch und Geschichte geschieht. Denn der, der in seinem Beziehungsreichtum Ursprung ist, ist in der Teilhabe an seinem Leben auch Ziel.

Genau so, als Ursprung und Ziel von Schöpfung und Heilsgeschichte, feiern wir Gott am Hochfest der Dreifaltigkeit. An dieser Stelle muss nun ein wenig auf die Diskussion um das Dreifaltigkeitsfest eingegangen werden (wen das weniger interessiert, mag den folgenden Abschnitt einfach überspringen).

Ein sinnvolles Fest?

Man hat dieses Fest in die Gruppe der sog. „Ideenfeste" eingeordnet. Dies zunächst einmal, um es von den tatsächlich andersartigen älteren heilsgeschichtlichen Festen (im Kern vor allem Ostern und der Osterfestkreis, dann Weihnachten und sein Festkreis usw.), die Gottes rettendes Handeln an uns feiern, zu unterscheiden. Dies jedoch verbunden mit dem Hinweis, dass der heilsgeschichtliche Inhalt hier ersetzt sei durch eine abstrakte, dogmatische Idee und mit der kritischen Rückfrage, ob eine solche „Feier" sinnvoll, ob sie gegenüber dem Kerngehalt des liturgischen Festjahrs mit seinem Gedächtnis der Grosstaten Gottes nicht unangemessen sei. Man kann für eine solche Sicht viele, vor allem historisch-genetische, auch frömmigkeitsgeschichtliche Gesichtspunkte geltend machen. Auch ein Kerntext, die Präfation des Festes, scheint dieser Sicht recht zu geben. (Sie würde eine eigene Diskussion verdienen.) Vieles daran ist ohne Zweifel richtig. Dennoch scheint mir mittlerweile die Zuordnung zur Gruppe der Ideenfeste, vor allem aber die These von der Ersetzung der Heilsgeschichte durch eine abstrakte, dogmatische Idee als zu schematisch, ja, was den zweiten Teil angeht, sogar als nahezu falsch. Vielmehr gilt es, dass Dreifaltigkeitsfest zum einen nicht von seinem Ort im Festjahr zu isolieren, zum anderen aber auf die konkrete Eigenart seiner Texte zu achten. So wichtig historische Klärungen zum Verständnis sind, so sehr haben sie immer nur dienende Funktion gegenüber der heutigen Gestalt des Festes.

Das „Ehre sei dem Vater" auf Ostern und Pfingsten

Schauen wir auf einen konkreten Text, den Eröffnungsvers der Festmesse: „Gepriesen sei der dreieinige Gott: der Vater und sein eingeborener Sohn und der Heilige Geist; denn er hat uns sein Erbarmen geschenkt." Ein erheblicher Teil der Texte der Messe wie auch der Tagzeitenliturgie hat mehr oder weniger diesen Grundcharakter. Er darf deshalb hier für das Ganze des Festes stehen. Vor allem das pointierte „gepriesen sei" (benedictus sit) charakterisiert in vielen Varianten die Texte des Festes: Sie wirken wie eine fast ununterbrochene Aufforderung zum Lobpreis des dreifaltigen Gottes. Man gewinnt den Eindruck, als ob das Fest wie eine ausgedehnte „Ehre sei dem Vater...."-Strophe angelegt sei. Mit einem Wort: Das ganze Fest hat ausgesprochen doxologischen Charakter. (Schon das erweist die Einseitigkeit der These, hier werde lediglich ein dogmatischer Lehrgehalt liturgisch transportiert.)

In unserem Eröffnungsvers geschieht aber noch erheblich mehr. Er knüpft (vermittelt über einen vom Dreifaltigkeitsglauben her erweiterten Vers aus dem Buch Tobit) an die Form alttestamentlicher Hymnen an, die immer die Aufforderung zum Lobpreis mit einem begründenden Hinweis auf Gottes Taten verbinden. Hier: „Denn er hat uns sein Erbarmen geschenkt." Das wirkt wie eine - gelungene - Abkürzung der gesamten Heilsgeschichte. Wie könnte man sie besser zusammenfassen, als durch dieses eine Wort: Erbarmen? In unserem Eröffnungsvers verbinden sich also die Aufforderung zum Lobpreis des dreifaltigen Gottes mit dem begründenden Hinweis auf sein heilsgeschichtliches Wirken. Hier klingt ungeheuer konzentriert das auf, was die griechischen Kirchenväter theologia und oikonomia genannt haben. Gott, in sich dreifaltig-lebendig (theologia), ist der Grund seines erbarmenden Wirkens in Schöpfung und Heilsgeschichte (oikonomia). Die Antwort des Menschen ist der gedenkende Lobpreis. Wiederum: Dies charakterisiert die Texte des Festes insgesamt.

Aber nun dürfen wir nicht vergessen, wo unser Fest im Festjahr steht (und ein Autor wie Rupert von Deutz hat diesen Zusammenhang ausdrücklich hergestellt). „Denn er hat uns sein Erbarmen geschenkt" wirkt im konkreten Zusammenhang wie ein Rückblick auf die gesamte Osterzeit. Von dorher blickt das Dreifaltigkeitsfest auf den Urgrund und das Ziel aller Heilsgeschichte: den dreifaltigen Gott. Es ist die „Ehre sei dem Vater..."-Strophe unter den Osterfestkreis. In der Einheit von theologia und oikonomia im Lobpreis der Kirche, in diesem Durchblick auf den Urgrund des Heils, ist es dann doch wichtig, auch wenn es die Spuren einer nachklassischen Epoche der Liturgiegeschichte deutlich an sich trägt. Ich jedenfalls möchte auf das Wunder einer Festantiphon wie dieser, die die Einheit des dreifaltigen Gottes mit seiner freien Selbstmitteilung in höchster Knappheit, Präzision und Schönheit im Ausruf des Entzückens auf den Punkt bringt, nicht gerne verzichten: „O selige Dreifaltigkeit! Ursprung der Wahrheit, Spiegel der Wahrheit, Gabe der Wahrheit."

Martin Brüske

 

Stichwort

  • Sonntag nach Pfingsten = Dreifaltigkeitssonntag
  • Frühester sicherer Beleg: Cluny 996/1030 und Fuldaer Sakramentar vor 1000, Verbreitung in Ordensfamilien und Diözesen in den nächsten Jahrhunderten (Schweiz erstmals 1219 Sion, Basel und Bern 1248)
  • in Rom zunächst abgelehnt, denn jeder Sonntag und Wochentag begehe das Gedächtnis der Dreifaltigkeit(Alexander II., + 1073); 1334 wird das Fest von Johannes XXII. allgemein vorgeschrieben; definitive Einführung 1570

Wider-Worte

Problematisch ist, daß der Dreifaltigkeitssonntag nicht biblisch-heilsgeschichtlich verankert, sondern ein "Ideenfest" ist, dessen Grund in einer dogmatischen Wahrheit besteht (siehe besonders die Präfation). Es ist fraglich, ob ein eigenes Fest der Trinität liturgisch und theologisch angemessen ist.

Martin Klöckener

Geistlicher Impuls

Unmittelbar nach der Festfeier der Ankunft des Heiligen Geistes stimmen wir, einer sinnvollen Anordnung entsprechend, mit dem Offizium des nachfolgenden Sonntags sogleich den Lobpreis der heiligen Dreifaltigkeit an, weil nämlich nach der Ankunft dieses Heiligen Geistes der Glaube und das Bekenntnis des Namens des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes ihren Anfang genommen haben und sogleich verkündigt, geglaubt und in der Taufe gefeiert worden sind. Denn vorher, während der Herr im Fleisch gegenwärtig war, lesen wir nirgends, daß die Unterscheidung dieses Namens ausdrücklich gelehrt und beachtet worden ist, sondern erst nach seiner Auferstehung durch die Worte an seine Jünger: „Geht hin und lehret alle Völker und tauft sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes" (Mt 28, 19).

Rupert von Deutz


Links

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