Praefation fuer die Osterzeit I thumbPräfation für die Osterzeit I

Das wahre Osterlamm

Die Freude von Ostern ist nicht oberflächlich, sie reicht bis in die Tiefen unserer Karfreitags-Erfahrungen, wo der Tod vernichtet und das Leben neu geschaffen wird.

"In Wahrheit ist es würdig und recht, dir, Vater, immer und überall zu danken, diese Nacht (diesen Tag, diese Tage) aber aufs höchste zu feiern, da unser Osterlamm geopfert ist, Jesus Christus. Denn er ist das wahre Lamm, das die Sünde der Welt hinwegnimmt. Durch seinen Tod hat er unseren Tod vernichtet und durch seine Auferstehung das Leben neu geschaffen."

Das Messbuch weist fünf Präfationen für die Osterzeit auf. Die erste Osterpräfation, die eine lange Tradition hat, wird in der Osternacht, am Ostersonntag und in der Osteroktav vorgetragen. Die übrigen sind im Zuge der Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils entstanden und können während der Osterzeit frei ausgewählt werden. Alle Präfationen der Osterzeit mit Ausnahme der zweiten übernehmen die Eröffnungsformel weitgehend von der ersten Präfation.

Das zentrale Motiv der Präfation ist das Lamm. Als eines der ältesten Christussymbole durchzieht es das ganze Triduum. Es verbindet das Ostergeschehen mit dem jüdischen Paschamahl zum Gedächtnis an die Befreiung des Volkes Israel aus Ägypten (Ex 12; vgl. Erste Lesung in der Abendmahlsmesse am Gründonnerstag). Christus ist das "wahre Lamm ..., dessen Blut die Türen der Gläubigen heiligt und das Volk bewahrt vor Tod und Verderben" (Osterlob der Osternacht). Er ist der Gottesknecht, der ohne Widerspruch Krankheiten und Schmerzen aller trägt "wie ein Lamm, das man zum Schlachten führt" (Jes 52,7; vgl. Erste Lesung am Karfreitag), der Schuldlose, der die Schuld aller, die "Sünde der Welt" wegnimmt (Joh 1,29). Die Liturgie vom Ostersonntag verkündet im Ruf vor dem Evangelium und im Kommunionvers: "Unser Paschalamm ist geopfert: So lasst uns Festmahl feiern im Herrn" (nach 1 Kor 5,7; vgl. Zweite Lesung). Das Motiv des Paschalammes findet sich ausserdem in der Ostersequenz.

Der Mittelteil der Osterpräfation I bringt das ganze österliche Geschehen auf den Punkt: "Durch seinen Tod hat er unseren Tod vernichtet und durch seine Auferstehung das Leben neu geschaffen." Der Tod Jesu wird mit unserem Tod in Verbindung gebracht (vgl. auch Osterpräfation II: "Unser Tod ist durch seinen Tod überwunden.") Sein Aufstehen vom Tod reisst auch unser Leben aus der Todesverfallenheit heraus, vorausgesetzt wir sind bereit, diese anzuerkennen.

Die heutige Gesellschaft tut sich schwer im Umgang mit den Schattenseiten des Lebens, mit Sünde, Krankheit und Tod. Wir verhalten uns im Alltag häufig so, als wären wir nicht in Schuldzusammenhänge verstrickt und als läge es in unserer Hand, stets gesund und unsterblich zu sein. Gegenüber diesen Verdrängungstendenzen hält die christliche Tradition das Bewusstsein der menschlichen Begrenztheit und Vergänglichkeit wach. In jeder liturgischen Feier und insbesondere in der Feier der drei österlichen Tage werden wir mit Vernichtung und Tod (geopfertes Osterlamm) konfrontiert. Der christliche Glaube lehrt nicht Lebenssicherung und -bewahrung, sondern Lebenseinsatz und -hingabe. Ein Einüben ins Sterben in all seinen Formen, in das Trauern und Loslassen, in das Abschiednehmen von Liebgewonnenem und Festgefahrenem, von Täuschungen und Illusionen, in den Einsatz des Lebens für andere, führt aber paradoxerweise nicht zu Lebensverdrossenheit, im Gegenteil: es eröffnet eine grössere Intensität des Lebens. Die Annahme des Todes führt zu dessen Vernichtung. "Wer sein Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen" (Mt 16,25). Österliche Freude und Lebensfülle sind also letztlich nicht ohne Karfreitags-Erfahrungen zu haben. Warum dies so ist, bleibt ein Geheimnis in der Hand Gottes: "Zu wunderbar ist für mich dieses Wissen, zu hoch, ich kann es nicht begreifen" (Ps 139,6).

Josef-Anton Willa

 

Wider-Worte

"Das Lamm ist nicht das Ostertier schlechthin; im Volksbrauchtum und seiner kommerziellen Nutzung läuft ihm der Hase durchaus den Rang ab."

Alex Stock 2001

Links

Liturgische Texte für die Osterzeit