Maria S. Peter und Paul ZuerichPräfation von Mariä Aufnahme in den Himmel 15.8.

Was Maria ist, das werden wir

Zur Präfation des Hochfestes "Mariä Aufnahme in den Himmel - Maria Himmelfahrt" 

"In Wahrheit ist es würdig und recht, dir, allmächtiger Vater, zu danken und das Werk deiner Gnade zu rühmen. Denn heute hast du die jungfräuliche Gottesmutter in den Himmel erhoben, als erste empfing sie von Christus die Herrlichkeit, die uns allen verheissen ist, und wurde zum Urbild der Kirche in ihrer ewigen Vollendung. Dem pilgern-den Volk ist sie ein untrügliches Zeichen der Hoffnung und eine Quelle des Trostes. Denn ihr Leib, der den Urheber des Lebens geboren hat, sollte die Verwesung nicht schauen. Darum preisen wir jetzt und in Ewigkeit dein Erbarmen und singen mit den Chören der Engel das Lob deiner Herrlichkeit." (Messbuch, S. 750f)

Es liegt auf der Hand, dass die Art und Weise des Betens den Glauben an Gott beeinflusst und umgekehrt der Glaube, das Gottesbild, die Beziehung zu Gott die Art und Weise der Interaktion mit ihm, des Sprechens mit und zu ihm, bestimmt. In der Präfation des Hochfestes „Mariä Aufnahme in den Himmel“ hat der Glaube, wie er vom Zweiten Vatikanischen Konzil in der Dogmatischen Konstitution über die Kirche Lumen Gentium formuliert wurde, bis in die Wortwahl den Text beeinflusst. Zunächst nimmt die Präfation das vom Konzil geprägte und auf den heiligen Augustinus zurückgehende Bild von der Kirche als wanderndes oder pilgerndes Volk Gottes auf. Damit stellt sich die Kirche in eine Tradition mit dem Volk Israel und betont, dass sie unterwegs ist, dahinschreitet „zwischen den Verfolgungen der Welt und den Tröstungen Gottes auf ihrem Pilgerweg“ (Augustinus, Civ. Dei, XVIII,51,2, zitiert von LG 8).

Im Folgenden zitiert und paraphrasiert die Präfation dann zu einem grossen Teil Art. 68 von Lumen Gentium: „Inzwischen aber leuchtet die Mutter Jesu – wie sie in den Himmeln schon mit Leib und Seele verherrlicht, Bild und Anfang der in der künftigen Welt zu vollendenden Kirche ist, so hier auf Erden, bis der Tag des Herrn gekommen ist – dem pilgernden Volk Gottes als Zeichen der sicheren Hoffnung und des Trostes voran.“ So finden Bilder und Vorstellungen aus einem dogmatischen Text teilweise wörtlich Eingang in den Lobgesang der Kirche zu Beginn des Hochgebets. Neu waren die Bilder und Gedanken allerdings auch in Lumen Gentium nicht. Es gibt zum Beispiel erstaunliche inhaltliche Parallelen zu dem um das Jahr 1000 entstandenen liturgischen Text des Salve Regina, in dem Maria als „unsere Hoffnung“ um Hilfe angerufen wird von denen „im Tal der Tränen“ und im „Exil“. Die Motive des Unterwegsseins, der Hoffnung und des Trostes sind also auch in diesem Lied zu finden. Bemerkenswert ist dabei, dass die Präfation Maria nicht nur als „untrügliches Zeichen der Hoffnung und eine Quelle des Trostes“ bezeichnet, sondern auch andeutet, wie und wozu Maria dies für die Kirche ist. Durch ihre Aufnahme in den Himmel empfing sie etwas, das der ganzen Kirche, die noch unterwegs ist, verheißen ist. In ihrem Sein bei Gott ist sie nun Urbild der Kirche in ihrer ewigen Vollendung. Der betenden Kirche, die noch unterwegs ist, in allen Schwierigkeiten des Lebens, in allem menschlichen Leid, in aller Verstrickung in Schuld, angesichts aller Unsicherheiten und des uns und unsere Lieben täglich drohenden Todes, zeigt die in den Himmel erhöhte Gottesmutter Maria Richtung und Ziel der Pilgerschaft. Ihr ist sie so Zeichen der Hoffnung und Quelle des Trostes. Maria bezeugt, dass Gottes Verheissung des ewigen Lebens bei ihm wahr und zuverlässig ist. Christus, den sie geboren hat, ist der „Urheber des Lebens“ (vgl. Apg. 3,15), durch den „die Auferstehung der Toten gekommen“ ist und „in dem alle lebendig gemacht werden“, wie es in der Zweiten Lesung des Hochfestes heißt (1 Kor 15, 20-27a). Indem die Präfation die Bezeichnung Christi als „Urheber des Lebens“ übernimmt, die sich im viel älteren Tagesgebet des Hochfestes der Gottesmutter Maria am 1. Januar (das frühere Fest der Beschneidung des Herrn) findet, wird der Glaube daran, dass Marias Leib die Verwesung nicht schaute, zurückgebunden an das Paschamysterium, an Tod und Auferstehung Jesu Christi, der auch uns Zugang zum ewigen Leben geschenkt hat.

Es ist durchaus bemerkenswert, dass die Präfation die Bedeutung der Aufnahme Mariä in den Himmel für uns herausstreicht. Dies ist keineswegs selbstverständlich, weder für systematische Texte noch für Gebete. Der wichtigste dogmatische Text zum Fest, die Verkündigung des Dogmas von der leiblichen Aufnahme Mariä in den Himmel von Pius XII. aus dem Jahr 1950, betont vor allem das Gnadenprivileg und den Ehrenvorrang Marias durch diese leibliche Aufnahme und damit einen ungeheuren Abstand zwischen Maria und uns. Die Präfation überwindet diesen Abstand, indem sie letztlich bekennt: Auch wenn unser Leib, anders als der der Gottesmutter Maria, verwesen wird – was Maria ist, das werden wir.

Martin Conrad
Erstveröffentlichung in der Zeitschrift "Gottesdienst" (GD 50 [2016] 118)

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Gedanken zum Fest "Mariä Aufnahme in den Himmel"
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