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Hintergrund

Kirche sein im Feiern und Verstehen

Hintergrund

Kirche sein im Feiern und Verstehen

Himmlisches Gastmahl thumbEucharistisches Hochgebet

Verwandelt werden durch danken

Die Worte des Hochgebets klingen vertraut. Und doch bleibt dieses lange (gar langweilige?) Gebet manchen ein Rätsel. Zur Lösung des Rätsels führt eine Spur ins Geheimnis.

Für alles danken?

„Dankt für alles" – ruft Paulus der Gemeinde in Thessaloniki zu (1. Thess 5,18) und ermuntert so zur andauernden Einübung von Lobpreis und Segen. Einen Lobpreis auf Gott zu sagen und das in schönen wie schlimmen Situationen war und ist jüdische Gebetspraxis: Gepriesen sei Er - beim Anblick hoher Gebirge, bei Donner, Erdbeben oder Sturm, beim ersten Anblick blühender Bäume im Frühling, beim Empfang einer freudigen oder traurigen Nachricht und vieles andere.

Als Jesus zum Abschiedsmahl die Seinen um sich gesammelt hatte, tat er, was er schon als Kind gelernt hatte: er dankte Gott für Brot und Wein. Er dankte ihm, indem er auch in dieser Situation, die menschlich gesehen verzweifelt und aussichtslos war, den Lobpreis des göttlichen Namens sprach. „Dankt für alles", hier steht das griechische Wort eucharistein, das vor allem katholische Christen für die Feier der Messe verwenden: Eucharistiefeier ist Danksagung. Diese Danksagung geschieht im Hochgebet der Messe. Auch sie klammert das Leid nicht aus, denn Christen danken für Jesus Christus, indem sie seines Todes und seiner Auferstehung von den Toten gedenken.

„Wir bringen in Brot und Wein unsere Welt zu dir" (Liedtext von H. B. Meyer), also auch heute, wenn wir Eucharistie feiern, tragen wir alles vor ihn, die schönen wie die schlimmen Situationen – im Vertrauen, dass im grossen Segen über Brot und Wein mit den eucharistischen Gaben auch wir und unsere Welt verwandelt werden.

Einsetzungsberichte und Eucharistiefeier

Die vier biblischen Einsetzungsberichte erzählen vom damaligen Geschehen, aber sie geben nicht Wort für Wort die damals verwendete jüdische Hausliturgie wieder. Sie zeigen vielmehr das Besondere, das Jesus hinzugefügt hat. Auch für die Mahlfeiern, die der Auferstandene mit den Seinen gehalten hat, sind keine Gebetsformulare überliefert.

Und dennoch haben die Christen schon im 1. Jahrhundert begonnen Eucharistie zu feiern! Im Hintergrund der biblischen Berichte vom letzten Mahl Jesu steht seine und auch ihre Feierpraxis: Er (Christus oder der Vorsteher der Feier) nahm das Brot, sprach Gott dankend den Lobpreis, brach das Brot, gab es den Seinen, die das Brot essen und aus dem Kelch trinken.

Das Tun – nehmen, danksagen, brechen des Brotes, austeilen und essen bzw. trinken – ist bis heute das Fundament der Eucharistiefeier. Denn die verschiedenen Handlungen Jesu bestimmen bis heute den Ablauf der Feier. Was die Einsetzungsworte in zwei, drei Sätzen zusammenfassen, ist im zweiten Hauptteil der Messe, der eucharistischen Liturgie, ausgefaltet in vier grosse Handlungsschritte. Was in den Einsetzungsworte über das Tun Jesu gesagt ist, ist also der rote Faden für den ganzen zweiten Teil der Messe:

  • nehmen: die Gabenbereitung
  • danksagen: das eucharistische Hochgebet
  • brechen des Brotes: die Brotbrechung
  • austeilen und essen/trinken: die Kommunion

„Dies tut zu meinem Gedächtnis!" Diesen Auftrag erfüllt vor allem das Tun mit den gleichen Handlungen wie damals von der Gabenbereitung über das Hochgebet bis zur Kommunion. In diesem Tun symbolisiert der Priester Christus. Er spricht das ganze Hochgebet. Es ist Amtsgebet des Priesters. Die Gemeinde stimmt seinem Beten und Tun zu, indem sie nach der Schlussdoxologie des Hochgebets laut Amen sagt. Mit diesem kleinen Wort bringen alle zur Feier Versammelten zum Ausdruck, dass wahr und richtig ist, was der Priester im Hochgebet gesagt und getan hat. Sie sagen Ja dazu.

Dank an den Vater

Woher haben die ersten Christen die Worte für ihre Danksagung genommen? Einige haben sich weiterhin am jüdischen Beten orientiert, wie ein Zeugnis an der Ende des 1. Jahrhunderts zeigt. Ob es ein Eucharistiegebet in unserem Sinn ist, darüber streiten die Gelehrten. Aber es zeigt, wie Christen seinerzeit beim Mahl Gott dankten: „Wir danken dir, unser Vater, für das Leben und die Erkenntnis, die du uns durch Jesus, deinen Knecht, offenbart hast. Dir sei Herrlichkeit in Ewigkeit. ... Wir danken dir, heiliger Vater, für deinen heiligen Namen, dem du ein Zelt bereitet hast in unseren Herzen, und für die Erkenntnis und den Glauben und die Unsterblichkeit, die du uns zu erkennen gabst durch Jesus, deinen Knecht. Dir sei Herrlichkeit in Ewigkeit." (aus der syrisch-palästinischen Kirchenordnung der Didache)

Wie Jesus selber adressieren diese Christen ihren Dank und ihr Lob an Gott, den sie wie Jesus Vater nennen. Auch das eucharistische Hochgebet ist an den Vater gerichtet. Es beginnt daher: „In Wahrheit ist es würdig und recht, dir, Herr, himmlischer Vater, immer und überall zu danken ..." Die Gebetsrichtung Jesu ist also durch die vielen Jahrhunderte eucharistischen Betens bis heute erhalten geblieben. Mit Jesus und durch ihn wenden wir uns an Gott. Deshalb schliesst das Hochgebet mit dem Lobpreis: „Durch ihn und mit ihm und in ihm ist dir, Gott, allmächtiger Vater, in der Einheit des Heiligen Geistes alle Herrlichkeit und Ehre jetzt und in Ewigkeit. Amen."

Danken für Jesus Christus

Für alles danken, das musste für die ersten Christen auch heissen: für Christus danken, für alles, was er den Menschen schenkt. Wer dankt, erinnert sich an das, was seinen Dank auslöst. Wie die Texte der Didache zeigen, haben die ersten Christen diesen Dank für Christus sehr lebendig empfunden. Gut 100 Jahre später, im ersten erhaltenen Hochgebet aus einer römischen Kirchenordnung vom Beginn des 3. Jahrhunderts, ist der Dank für Christus noch weiter entfaltet: „Wir sagen dir Dank durch deinen geliebten Knecht, Jesus Christus, den du in dieser Endzeit uns als Retter, Erlöser und Boten deines Willens gesandt hast, der dein (von dir) untrennbares Wort ist, durch das du alles geschaffen hast ..., der deinen Willen erfüllend und dir ein heiliges Volk erwerbend, seine Hände ausgebreitet hat, als er litt, um vom Leiden alle zu befreien, die an dich glauben, ..." (Traditio Apostolica 4) und dann folgen die Einsetzungsworte. Der Dank für das Handeln Christi, aber auch der Dank für die Schöpfung und alle guten Gaben Gottes wird bis heute am Beginn des Hochgebets in der Präfation ins Wort gebracht. Es gibt viele Gründe Gott zu danken. Die nachkonziliare Liturgie hat über 90 Präfationen, um immer wieder neue Motive des Danks aussprechen zu können.

Gedächtnis des Gegenwärtigen

Der Dank, der sich an das Handeln Christi erinnert, bezieht sich über die biblische Vergangenheit hinaus auf das Heute der Feiernden: Christus ist in der Mitte der Versammlung gegenwärtig. Ihr Gedächtnis richtet sich an einen, der in der Eucharistie real gegenwärtig ist. Mit seiner personalen Gegenwart ist gleichzeitig präsent, was er erlebt und erlitten hat und als Auferstandener allen Menschen schenken möchte: die Nähe Gottes als Vergebung der Sünden und den österlichen Frieden. Nach dem Einsetzungsbericht wird dieses besondere Gedächtnis in die Worte gekleidet: „Darum, gütiger Vater, feiern wir das Gedächtnis des Todes und der Auferstehung deines Sohnes ..." (2. Hochgebet).

Tun in der Kraft des Heiligen Geistes

Kein menschliches Tun und auch nicht allein das Nachsprechen der Einsetzungsworte verwandelt Brot und Wein in Leib und Blut Jesu. Das anzunehmen, wäre Magie, aber nicht katholisch. Nach seiner Himmelfahrt hat Christus am Pfingstfest den Heiligen Geist gesandt. Der Heilige Geist ist das „Kommunikationsgenie" Gottes in Person. Er trägt unsere erdenschweren Worte voller Dank in Gottes Gegenwärtigkeit. Im Geist ist Christus gegenwärtig, wo Menschen in seinem Namen versammelt sind. Mit der Leichtigkeit seines Hauches vermittelt er zwischen Gott und Mensch.

Zweimal im Hochgebet, vor und nach den Einsetzungsworten, wird er deshalb herbeigerufen: „Sende deinen Geist auf diese Gaben herab und heilige sie, damit sie uns werden Leib und Blut deines Sohnes, unseres Herrn Jesus Christus" (2. Hochgebet). Hinter allem menschlichen Tun voller Dank zeigt die Anrufung des Heiligen Geistes, dass nur Gott selbst die Gaben verwandeln kann. Die Wandlung der Gaben zielt auf die Verwandlung der Menschen. Nach den Einsetzungsworten kommt deshalb noch einmal der Heilige Geist ins Spiel: „Stärke uns durch den Leib und das Blut deines Sohnes und erfülle uns mit seinem Heiligen Geist, damit wir ein Leib und ein Geist werden in Christus." (3. Hochgebet) Das eine Brot, das gebrochen wird, verwandelt alle, die davon essen, in die Gemeinschaft eines Leibes mit Christus.

Wandlung und Verwandlung

Die Eucharistie verwandelt nicht nur jede und jeden Einzelnen, sondern sie stiftet Gemeinschaft unter gänzlich verschiedenen Menschen, Fernen und Nahen, dem Papst in Rom und meiner Nachbarin in der Bank, zwischen Lebenden und Toten, Heiligen und sogar jenen, die noch fern sind von ihm (3. Hochgebet). Dieser Gemeinschaftsaspekt hat am Ende des Hochgebets in den Bitten für die Welt, die Kirche und die Verstorbenen seinen Platz. Die Gaben von Brot und Wein sind durch das Sprechen des Hochgebets in der Kraft des Heiligen Geistes mehr und etwas ganz anderes als nur das Brot, das die Augen sehen, und der Wein, den die Lippen kosten dürfen. In den eucharistischen Gestalten ist Christus selbst gegenwärtig. Wie seine Gegenwart damals in Palästina Menschen verwandelt hat, wie sie Menschen zu neuer Gemeinschaft verbunden hat und etwas Neues in die Welt brachte, so geht auch von den gewandelten Gaben eine verwandelnde Kraft aus: in die Gemeinschaft der Kirche hinein und durch die Menschen in der Kirche auch in die Welt hinaus. Die Danksagung der Eucharistie weitet sich schliesslich aus in den Segen, der in den Alltag hineinwirkt: Gesendet vom Tisch des Herrn in die Welt.

Gunda Brüske

 

Stichwort

  • grosses, konsekratorisches Dankgebet der Messe über Brot und Wein
  • Zentrum des zweiten Teils der Messe
  • ältester Text Anfang 3. Jh. (Traditio Apostolica)
  • klassisches römisches Hochgebet (canon romanus): heute Hochgebet I
  • nachkonziliare Hochgebete: Hochgebete 2-4 nach historischen Vorbildern, Hochgebete für Messfeiern mit Kindern, Versöhnungshochgebete, Hochgebete für Messfeiern für besondere Anliegen („Schweizer Hochgebet"), Hochgebet für Messfeiern mit Gehörlosen
  • gesprochen vom Priester am Altar im Namen aller Mitfeiernden

Geistlicher Impuls

"Das eucharistische Hochgebet ist nicht einfach ein vom Vorsteher (aus dem Messbuch) vorgelesener Text, ... sondern eine Gebetshandlung der ganzen Gemeinde, somit ein Geschehen. ... Das eucharistische Hochgebet ist ein Gebetsgeschehen, nämlich der in der Eucharistie zentrale Akt der Anbetung und des Lobpreises Gottes im symbolisch repräsentierten Zeitraum des Gottesreiches ... Folgende Momente sind ... wesentlich:
- Die an der Handlung beteiligten Personen:
1. der im Heiligen Geist gegenwärtige Christus [der Herr ist/sei mit euch – und mit deinem Geiste] als der Gastgeber des eucharistischen Mahles,
2. Gott als der personale Adressat des Gebets ['lasset uns danksagen dem Herrn, unserem Gott'],
3. der Vorsteher, der im Namen der Gemeinde, also als ihr Wortführer, das Eucharistiegebet vor Gott bringt,
4. die Gemeinde, die durch Akklamation [kurze Zurufe] beteiligt ist (vor allem das Amen, die Akklamation nach dem Einsetzungsbericht) und an wichtigen Punkten selbst aktiv am Sprachgeschehen teilnimmt (vor allem das Sanctus ...)
- Das 'Sursum corda' ['Erhebet die Herzen'] gibt den symbolischen Ort der Eucharistie an: sie findet 'oben', d. h. in der Gegenwart Gottes statt, in welche die Gemeinde einzutreten ermächtigt ist durch den in seiner Menschheit zu Gott erhöhten Christus (...). Im Hochgebet findet also ein Aufstieg der Gemeinde zu Gott statt ... Dieser symbolische Ort (das Oben) wird auch körperlich symbolisiert durch die Gebetshaltung der Gemeinde: sie steht zum eucharistischen Hochgebet, entsprechend ihrem personalen Gegenüber zu Gott (vgl. Dan 7,10 von den Thronengeln, aufgenommen und auf die christliche, zur Eucharistie versammelte Gemeinde übertragen im 2. Hochgebet im Missale Romanum 'Wir danken dir, dass du uns berufen hast, vor dir zu stehen und dir zu dienen')."

Reinhard Messner (2001)

Ablauf

Hochgebete 2-4
  • Präfation mit Sanctus
  • Postsanctus
  • Herabrufung des Geistes auf Brot und Wein (Gabenepiklese)
  • Einsetzungsworte
  • Geheimnis des Glaubens
  • Gedächtnis u. Darbringung
  • Heraufrufung des Geistes auf die Versammelten (Kommunionepiklese)
  • Fürbitten in der Gemeinschaft der Kirche
  • abschliessender Lobpreis (Doxologie)

Links

Robert Weber